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SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

Titel: SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
Autoren: Guido Krain
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eigene Achse kreisen.

    Die nächsten Stunden verbrachten sie mit einigen Tests, von denen jeder Rachel in größere Verzückung geraten ließ. Nüchtern betrachtet war Kinkin jedoch recht langsam und ungeschickt. Sie zog schwerfällig ein Bein nach und verstand Anweisungen zuweilen falsch oder vergaß während der Arbeit einfach, was sie tun sollte. Vor allem schien sie nicht sprechen zu können und über fast kein Abstraktionsvermögen zu verfügen. Zum Putzen und Waschen würde es aber reichen, schließlich war sie – wie Fifi auch – lernfähig. Für Charles war jedoch in erster Linie wichtig, dass Kinkin gutmütig und ungefährlich war. Erst als er dies sichergestellt glaubte, verließen Kinkin und Rachel das Haus.

    Die folgenden Monate wurden für Charles zu einer harten Geduldsprobe. Immer wildere Gerüchte kursierten im Black Garden Gentlemensclub . Fiddlebury solle sich einen regelrechten Hochofen beschafft haben, den er angeblich in seinem Keller betrieb. Außerdem hatte ihn angeblich eine Polizeistreife bei dem Versuch erwischt, mitten in der Nacht eine Gruft auf dem Londoner Zentralfriedhof aufzubrechen. Was derartige Aktivitäten mit einer Erfindung zu tun haben sollten, war Charles völlig schleierhaft. Es hatte den Anschein, dass Mortimer Fiddlebury dringend ärztlichen Beistand benötigte. 
    In den ersten Monaten kam Rachel Fiddlebury immer wieder bei Charles vorbei, um sich einige seiner bedeutendsten Erfindungen auszuleihen. Ihre Wünsche betrafen nicht nur seinen Reprographen, mit dem sich verkleinerte Kopien von einfachen Dingen anfertigen ließen. Auch sein gerade fertig gestellter Lichtverdichter, für den ihm selbst noch kein Zweck eingefallen war, fand ihr größtes Interesse. Diesmal bestand Rachel aber darauf, Charles mit horrenden Leihgebühren für seine Hilfe zu entschädigen. Für meinen Freund war jedoch weit wichtiger, dass es ihr sichtlich besser ging. Kinkin schien ihre Sache gut zu machen.
    Sehr zu Charles’ Beunruhigung hörten Rachels Besuche jedoch plötzlich auf. Seine Sorge ging so weit, dass er mit dem Gedanken spielte, sich auf ungesetzliche Weise Zutritt zum Haus der Fiddleburys zu verschaffen. Eine Nachfrage bei seiner Bank ließ ihn diesen Gedanken jedoch zurückstellen. Offenbar war es nach wie vor Rachel, die höchstpersönlich jede Woche die vereinbarten Leihgebühren auf Charles’ Konto einzahlte. Dennoch verfolgten ihn grässliche Vorahnungen. Er war natürlich viel zu rational etwas darauf zu geben, aber ein Teil von ihm blieb dabei: Etwas Schreckliches würde geschehen.
    Als ein Bote ein förmliches Kuvert mit dem Familiensiegel der Fiddleburys brachte, befürchtete er schon das Schlimmste. Doch statt zu einer Beerdigung wurde er von Mortimer Fiddlebury äußerst freundlich für den kommenden Tag zum Tee eingeladen. Selten hatte Charles eine so unruhige Nacht verlebt.

    „Willkommen, Mister Eagleton. Wir freuen uns, dass Sie kommen konnten.“ Das strahlende Lächeln der jungen Dame, die Charles an der Tür der Fiddleburys empfing, wirkte herzerwärmend aufrichtig. Ihre Wirkung auf Charles war jedoch verheerend. Für mehrere Herzschläge vergaß er seine Manieren und starrte sie wie ein Gossenjunge mit offenem Mund an. 
    Offenbar hatte er Rachels Schwester vor sich, von deren Existenz er bisher nichts geahnt hatte. Nein, nicht „Schwester“. Sie wirkte wie Rachels jüngerer Zwilling, auch wenn ihr Alter schwer bestimmbar war. Sie hatte etwas Zeitloses an sich. Er konnte ihr Alter mit Mühe auf sechzehn bis fünfundzwanzig eingrenzen. Doch es war nicht allein ihr Aussehen, das die Schätzung ihres Alter  erschwerte. Jede ihrer Bewegungen war wie eine Melodie, die ihre schlanken Gelenke und ihren biegsamen Hals wie Kunstwerke zur Geltung brachte. Im Gegensatz zu Rachels gelähmtem Gesicht sprühte ihre Mimik geradezu vor Leben und ihr Lachen hatte etwas Magisches an sich. In seinem ganzen Leben hatte Charles noch nie ein so anmutiges Geschöpf gesehen.
    Dann erkannte er endlich, was dieses wunderschöne Wesen so herzlich lachen ließ: Sein entgeisterter Gesichtsausdruck. Da ihm die Worte fehlten, klappte er einfach den Mund zu und holte die Begrüßung mit einer tiefen Verbeugung und einem Handkuss nach. Als er sich wieder aufrichtete, war von dem herzlichen Lachen noch ein glückliches Lächeln übrig geblieben. Und dann sah Charles ihr das erste Mal wirklich in die Augen und erkannte die unerhörte Wahrheit. Vor ihm stand nicht Rachels Schwester, sondern
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