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SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

Titel: SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
Autoren: Guido Krain
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Stufen zum ersten Stock. Beiläufig bemerkte er, dass sich das Bein, das sie beim Gehen nachzog, beim Treppensteigen normal bewegte. Normalerweise hätte er dies sehr interessant gefunden, jetzt legte er diese Tatsache einfach irgendwo in seinem Hinterkopf ab.
    Sie durchquerten einen kurzen Korridor und Kinkin öffnete in der ihr eigenen umständlichen Art eine schwere Eichentür. Gleich darauf betraten sie ein geschmackvoll eingerichtetes Arbeitszimmer. Direkt vor dem altehrwürdigen Schreibtisch trat Kinkin beiseite. 
    „Kinkin“, verkündete sie. 
    Ich bin nicht beleidigt, das Charles in diesem Augenblick glaubte, zum Opfer eines dummen Scherzes zu werden. Denn auf dem Schreibtisch saß – ich . Dazu sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich den Körper einer weißen Ratte besitze. Einer besonders attraktiven und sportlichen weißen Ratte zwar, aber wir alle wissen ja, wie rassistisch das Empire ist. Als Ratte ist man einfach nicht gesellschaftsfähig. Zudem mag es für Charles ein ungewohnter Anblick gewesen sein, eine Ratte mit übergeschlagenen Beinen in einem flauschigen Morgenrock mit Pfeife im Mund in einem Ohrensessel sitzen zu sehen während sie eine Miniaturausgabe der Times studierte.
    Vielleicht hielt er mich in dieses ersten Augenblicken unseres Kennenlernens auch für sehr unhöflich, weil ich die Zeitung nicht augenblicklich beiseitelegte. Doch ich wollte ihm Gelegenheit geben, den ersten Schreck zu verdauen, bevor er in der Aufregung vielleicht etwas Unpassendes hervorbrächte, was ihm später peinlich wäre. Ich nenne so etwas „Metahöflichkeit“. Nur leider fehlt den meisten Menschen der Weitblick, um derartige Dinge zu bedenken. Meinen Freund Charles möchte ich jedoch ausdrücklich vom Vorwurf dieser Kurzsichtigkeit ausnehmen. Allerdings brauchte er sehr lange, um sich wieder zu fangen. Daher legte ich die Zeitung zusammen und sprach ihn freundlich an: „Ah, Mister Eagleton. Ich freue mich wirklich sehr, dass Sie gekommen sind.“ Noch immer schloss er seinen Mund nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob dies an meinem sehr alten Englisch mit leichtem italienischen Akzent lag. Meine Frau vermutet heute, dass ich ihn mit meinem „animalischen Blick“ aus dem Konzept brachte, mit dem ich auch sie im Sturm eroberte. Um diese Meinung im rechten Licht betrachten zu können müssen Sie wissen, dass ich nicht die typischen Knopfaugen einer Ratte, sondern blaue Katzenaugen habe. Vielleicht wusste Charles aber auch nur zu würdigen, wie geschickt ich auf den Hinterbeinen lief, um ihm die Hand zu reichen. Eine Ratte zu sein hat nämlich viele Vorteile; eine besondere anatomische Eignung zum aufrechten Gang gehört jedoch nicht dazu.
    „Mein Name ist Bradley“, stellte ich mich vor. Auch wenn er noch immer nicht den Mund schloss, ergriff er mit angemessenem Respekt meine Hand. Ich beschloss, ihm bei der Wiederfindung seiner Sprache behilflich zu sein: „Eine großartige Erfindung, Ihr Reprograph“, lobte ich mit einer Geste in Richtung meiner abgelegten Times . „Leider zerkrümelt die Zeitung, wenn man sie zusammenfalten will.“
    „Äh, ja“, fand Charles seine Sprache wieder. „Die verkleinerten Gegenstände bestehen aus einer Art Keramik, die aus einem photochemisch aktiven Gas gebrannt wird.“ 
    Ich wusste ja, dass man einen Erfinder am schnellsten zum Reden bringt, wenn man ihn über seine Passion sprechen ließ. Ich bin schon ein schlaues Kerlchen.
    „Nun, dafür ist diese Keramik feuerfest“, lobte ich und zeigte ihm meine Pfeife. „Ich bin leidenschaftlicher Raucher und Ihnen deshalb zu größtem Dank verpflichtet.“
    „Es freut mich, dass meine Erfindung einem guten Zweck dient“, meinte er. Langsam gewann seine Stimme auch den gewohnten Klang zurück. „Aber zweifellos mussten Sie bei der Herstellung Ihres Morgenrocks einen anderen Weg gehen.“
    „Oh, bei meiner Garderobe war mir Miss Fiddlebury mit einigen Relikten aus Kindertagen behilflich. Aus dieser Quelle habe ich auch meinen Ohrensessel erhalten.“ Natürlich war mir schon damals klar, dass von erwachsenen Leuten genutzte Spielsachen für die meisten Menschen etwas Lächerliches an sich haben. Charles war jedoch reif genug, um keine Miene zu verziehen. Ich weiß nicht, ob er sich das Lächeln verkneifen musste, ich hatte jedenfalls nicht den Eindruck.
    „Aber setzen wir uns doch“, schlug ich vor. Während ich mir selbst aus Rachels Puppengeschirr einschenkte, brachte Kinkin Tee für meinen Gast. Ein Teil des
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