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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit
Autoren: Paul Gallico
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zu unserer Verteidigung aufnahmen. Ich hätte die Schweine damals töten können.»
    Sears nickte. «Ja, das hättest du gekonnt. Aber es ist gut, daß du es nicht getan hast. Und das ist alles?»
    Der Junge überlegte. Seine Stimme wurde weicher: «Vielleicht möchte ich meinen Onkel finden, wenn er noch am Leben ist.»
    «Und warum suchst du ihn nicht?»
    Ben-Isaak starrte ihn an. «Ich existiere nicht», erwiderte er, «ich habe keine Papiere. Ich kann nur auf ein Schiff, wenn der Kapitän dringend einen Mann braucht und keine Fragen stellt. Ich kam auf einem Tanker von Panama. Er fuhr in San Diego einen Tag zu früh ab, deshalb habe ich ihn verpaßt. Ich bin illegal an Land. Wenn ich nun versuche, auf einem andern Schiff anzuheuern, werde ich den Einwanderungsbehörden übergeben. Ich habe kein Recht, mich in den Vereinigten Staaten aufzuhalten.» Nach einer Weile fuhr er fort: «Ich habe nirgends ein Recht, mich aufzuhalten.»
    Sears sagte: «Das ist schlecht.» Er betrachtete den Jungen forschend, ehe er fragte: «Möchtest du einen Paß haben, Ben-Isaak, gültige Reisepapiere, die dich ausweisen und dir erlauben, nach Palästina zu fahren — oder wohin du sonst willst?»
    Ben-Isaaks Lachen verriet Sears mehr, als Worte es vermocht hätten.
    Sears zog die zusammengefaltete Zeitung aus der Seitentasche und schlug sie so auf, daß die herrischen Augen von Hannah Bascombe sie in dem trüben, rauchigen Licht des Kaffeeraums anstarrten. Er sagte: «Was hältst du von dieser Frau, Ben-Isaak?»
    Der Junge griff nach der Zeitung, studierte das harte, gierige Gesicht und las dann die Geschichte. Er blieb in Gedanken versunken, bis der Mann, der ihm am Tisch gegenübersaß, seine Frage wiederholte. Dann erwiderte er: «Ich glaube, sie ist sehr unglücklich.»
    «Hättest du Lust, sie glücklicher zu machen?»
    «Warum sollte ich das tun?»
    Sears gab nicht viel auf die schroffe, fast unmenschliche Antwort. Er erkannte, daß Ben-Isaak trotz all seiner Härte und Selbstbeherrschung von dem, was das Leben ihm angetan hatte, schwer verletzt und innerlich wund war. «Nun, wenn es dir gelingen würde, könnte sie dir sehr gut zu dem verhelfen, was du dir am meisten wünschst — eine Identität, Papiere, eine Staatsbürgerschaft, eine Heimat...»
    Der Bursche erwiderte mit plötzlicher, gespannter Heftigkeit: «Wie kommst du auf den Gedanken, ich wünschte mir eine Heimat?»
    Sears legte ihm die Hand auf den Arm. «Das tut jeder, mein Junge.»
    Es war ein harter, schlauer Zug. Doch der Bursche schlug, obwohl er sichtlich erschüttert war, sofort zurück: «Wie soll sie mir helfen? Was könnte sie tun? Was habe ich mit dieser reichen, Gott lästernden alten Frau zu schaffen? Was führen Sie überhaupt im Schilde, Mister? Sie sind kein Heini aus dem Armenhaus mit Ihrem teuren Anzug und der gestohlenen Bibel.»
    «In Ordnung», erwiderte Joe Sears. «Du hast mich gefragt. Nun will ich dir’s erzählen...»
    Als er nach fast einer Stunde den Bericht über jene merkwürdige Theorie, die er aus der Genesis entwickelt hatte und mit der er die alte Frau beeinflussen wollte, beendete, saß der Junge schweigend und nachdenklich da. Schließlich sagte er: «Du glaubst es fast selber, stimmt’s?»
    «Warum nicht? Es könnte doch sein, nicht wahr?»
    Der Bursche zuckte die Achseln. «Onkel Nathanael würde es wissen.»
    Sears sagte: «Ach ja, Onkel Nathanael. Der Rabbi, der Archäologe wurde. Und du weißt nicht, wo er ist?»
    «Ich habe ihm geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Wahrscheinlich ist er tot.» Er überlegte eine Weile und fragte dann: «Und wie bekomme ich durch all das meine Papiere?»
    Sears erwiderte rasch: «Wenn sie meine Geschichte glaubt, wird sie selber dir welche beschaffen wollen, damit du nach Palästina reisen und nachforschen kannst. Sie ist die reichste und finanziell mächtigste Frau in Amerika. Es gibt nichts, was sie nicht kaufen könnte.»
    «Außer ihren Weg in den Himmel», entgegnete Ben-Isaak.
    «Ach, aber gerade dorthin will sie ja nicht. Wenn ich sie dazu bringen kann, daß sie sich mit einem Teil ihres Vermögens noch ein wenig Zeit auf Erden kaufen kann...»
    «Oder einen Fahrschein in die Hölle...»
    «Aber es ist doch gar nicht unehrlich oder schlecht», erklärte Sears. «Wir verkaufen ihr eine Idee. Und übrigens — wer will den bekannten ersten Stein werfen? Glaubst du denn, daß das, was die Welt dir angetan hat, ehrlich war? Oder daß alle Manipulationen der alten Hannah Bascombe
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