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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit
Autoren: Paul Gallico
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jeder Prüfung standhalten würden?»
    «Kümmre dich nicht darum, was die Welt mir angetan hat. Ich kann selber für mich sorgen.»
    «Na ja», sagte Sears. «Bis jetzt hast du das ja bewiesen. Du bist ein zäher Bursche, aber im Augenblick sitzt du in einer Pechsträhne. Die Griffe der Kommandotruppe nutzen dir nichts, wenn die Einwanderungsbeamten dich finden, und sie sind heutzutage sehr empfindlich gegenüber fremdländisch aussehenden Ausländern in der Stadt. Wahrscheinlich würdest du dich bald auf einem für Polen bestimmten Schiff finden; und dort würden dich die Russen vermutlich zu einem kleinen Gespräch vornehmen. Und mein Vorschlag ist ein Ausweg.»
    Ben-Isaak fühlte sich unbehaglich. Er verdeckte das mit den Worten: «Sie mag gottlos sein, aber sie ist immerhin eine Frau.»
    Sears erwiderte: «Richtig. Aber was verliert sie denn? Ein paar hundert Lappen, die sie auf meinen Gedanken setzt? Die verdient sie mit einem einzigen Telefongespräch, wenn sie eine Gesellschaft kauft oder abstößt. Sie verdient in einer Stunde mehr, nur indem sie still dasitzt und gar nichts tut; ihr Geld heckt von allein in den Banken und Büchern.»
    Der Junge saß schweigend da und blickte auf die Fotografie in der Zeitung hinunter. Sears wünschte, er könne erraten, was ihm durch den Kopf ging, damit er wüßte, welche Register er nun ziehen mußte, um ihn zu bewegen.
    Er sagte: «Und außerdem — wer sagt denn, daß sie nichts für ihr Geld bekommt? Und wie kann man wissen, daß meine Theorie nicht stimmt, solange nicht einer hingeht und es feststellt? Dann nehmen wir ihr nichts, sondern geben ihr noch was. Nichts verlängert das Leben im Greisenalter so sehr wie Hoffnung und Auftrieb. Wir geben ihr eine ehrliche Seelenmassage, solange sie uns bezahlt — organisieren eine Expedition und reisen ins Land der Bibel. Wir arbeiten, forschen, schicken ihr Berichte — wir garantieren ihr mindestens fünf weitere Lebensjahre, einfach indem wir ihr etwas liefern, woran sie sich klammem kann...»
    Ben-Isaak unterbrach ihn plötzlich und klopfte mit den langen feingliedrigen Fingern, die vor wenigen Stunden vier Männer zu Krüppeln geschlagen hatten, auf das Bild: «Sie wird dir niemals glauben.»
    Sears sah den Jungen durchdringend an. «Vielleicht nicht», wiederholte er bündig, «aber sie wird dir glauben!»
    Jetzt starrten sie sich beide an — die Tarnung der Batterien war gefallen. Es war nichts mehr zwischen ihnen verborgen. Die entscheidenden Punkte waren so klar, wie Sears sie zu machen vermocht hatte. Sie befanden sich in jener sonderbaren Zwischenwelt der unverwirk-lichten Möglichkeiten, in der die Menschen feststellen, daß sie einander brauchen, und erkennen, daß sie das, was sie haben wollen, nicht allein erreichen können.
    Sears ließ das Schweigen andauern und die Bedeutung dessen, was er gesagt hatte, tief in den andern einsinken. Nach einer Zeit sagte er beiläufig: «Was hältst du davon, wenn wir noch eine Tasse Kaffee trinken? Wir können später noch weiter darüber sprechen, wenn du mehr Lust dazu hast.»
    «In Ordnung», erwiderte Ben-Isaak, «es ist ja auch gleich.»

4

    Der Himmel wird seine Missetat eröffnen.
    HIOB 20, 27

    Zwei Wochen später, Wochen, die Sears dem fieberhaften Studium der Bibel und ihrer Geschichte und der Durchforschung alter Zeitungen im Hinblick auf das Leben von Hannah Bascombe und ihres Pioniervaters «Eisen-Ike» gewidmet hatte, standen sie vor der Villa Bascombe, jener viktorianischen Scheußlichkeit aus roten Ziegeln und Schiefer, von Türmen und Türmchen gekrönt, die einen halben Straßenblock oben auf dem Nob Hill in San Francisco einnahm.
    Sears war tadellos gekleidet — Doppelreiher, konservative Krawatte, Hut, Handschuhe, Stock — er kannte den Wert des ersten Eindrucks. Er hatte es riskiert, seine letzten Mittel für die Inszenierung zu investieren, die nötig war, ihn als einen Gentleman von Vermögen erscheinen zu lassen. Der Junge, der noch seine knappe Seemannskleidung, kurze blaue Jacke und Schildmütze, trug, war ruhig und selbstbewußt.
    Um seinen Einlaß sicherzustellen, hatte Sears ein kunstreiches Netz von Telefongesprächen zur Villa Bascombe gesponnen, dazu Briefe, Telegramme und einen transatlantischen Anruf, in dem angeblich London ihn sprechen wollte — dafür hatte er einer der Telefonistinnen, die diese Fälschung in der Hotelzentrale möglich machte, zwanzig Dollar gezahlt. Er wußte, daß nichts dringender und bedeutender wirkte als ein
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