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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit
Autoren: Paul Gallico
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gelingen, was, Bruder?»
    Joe Sears nahm einen Schluck von seinem zweiten Whisky mit Leitungswasser und erwiderte mechanisch: «Hm», ohne sich auf die Erklärung des Barmanns zu konzentrieren. Er war in Gedanken noch damit beschäftigt, daß ihn Ed Howland, der bei Warner Brothers eine neue Abteilung aufbaute, eben hinausgeworfen hatte. Joe Sears, sechsunddreißig, gescheit, gewandt und erfahren — und ein Versager. Noch dreihundert Dollar, dann war er pleite, und Aussichten hatte er keine.
    Er dachte an Howlands plötzlichen Ausbruch: «Verdammt noch mal, Joe, du weißt doch, wie es ist. Ich würde dir wirklich gern helfen, aber du bist eben ein Kurvenschneider. Nach dem Film Rotes Licht — Gefahr! hattest du wirklich alle Chancen. Aber dann kam diese Geschichte mit den Agenten...»
    Darauf hatte Sears gefragt: «Gibt es irgendein Gesetz, das es einem verbietet, einen Agenten übers Ohr zu hauen? Sie selber tun es doch auch — oder etwa nicht?»
    «Ja, natürlich. Von Komparsen oder Chargenspielern Schmiergelder anzunehmen ist sogar schlimmer», hatte Howland zugegeben. «Ich weiß, so etwas würdest du nie tun. Aber wenn man höher steigt, Joe, dann paßt es einem eben nicht, einen Mann neben sich zu haben, der einen vielleicht mit irgendwelchen Tricks überrunden könnte — falls du weißt, was ich meine...»
    Sears hatte nichts weiter gesagt, seine Adresse hinterlassen und war gegangen. Es hatte wenig Sinn, darauf hinzuweisen, daß so manches in Ed Howlands Verhalten, wenn er selber Autorenrechte kaufte, auswertete und wieder verkaufte, auch nicht gerade sehr moralisch war, obwohl es in den Filmateliers ganz allgemein so gehandhabt wurde. Sears hatte im Augenblick weder ein Interesse daran, Howland noch die Welt zu verbessern, sondern irgendwie seinem eigenen, leicht angeschlagenen Ruf zu entgehen und sich eine Stelle zu suchen, die ihn vor dem Hungern bewahrte.
    Der Barmann, der sich für einen Augenblick im Schein eines Farbfilms bewegte, weil ein Strahl der späten Nachmittagssonne in die Bar eingedrungen war, sich im Prismenschliff des Spiegels gebrochen und Harlekinfarben über die Glatze und die weiße Jacke des Mannes gegossen hatte, sagte: «Ganz bestimmt nicht, Bruder. Wenn ihre Zeit kommt, muß sie gehen wie jeder andere auch. Stimmt’s?»
    «Ja», entgegnete Sears, «das stimmt.» Doch er war immer noch mit sich selber und mit der Frage beschäftigt, was er tun solle, wenn seine Barschaft erschöpft war. Er dachte gerade: Was ich brauche, ist eine große Idee. Ich muß endlich mit diesem ganzen Zeug aufhören, das man mit der linken Hand macht; ich muß etwas finden, was sich auszahlt, aber ordentlich. Schließlich habe ich nicht weniger Verstand als diese großen Unternehmer.
    Es sah ja gerade so aus, als hätte er nach wochenlangem Umherwandern auf den Straßen von Los Angeles, Hollywood, Beverly Hills und dieser Gegend, um sich einen Posten und damit einen ebenso ergiebigen wie leichten Lebensunterhalt zu suchen, das Ende erreicht. Anscheinend gab es nirgends mehr einen Platz, wo man einen Mann mit Kopf und Energie brauchen konnte.
    Da ging man eine Straße entlang und kam an der Bäckerei und dem Drugstore vorbei, an dem Fotogeschäft, dem Kurzwarenladen, der Nylonstrümpfe verkaufte, dem Selbstbedienungsgeschäft für Fleischwaren und Gemüse, dem Antiquitätenladen, dem Schnellrestaurant, dem Hotel, dem kleinen Kino an der Ecke, dem Milchgeschäft, dem Schneider, dem Zigarrenladen — ein Geschäft neben dem andern lag da, Straße um Straße, und alle boten dem Besitzer einen Unterhalt, entweder einfach nach dem Motto: billig einkaufen, teuer absetzen — oder auch auf krummen Wegen.
    Natürlich hätten sie einen genommen; für einen Hungerlohn zum Fegen, Putzen, Bedienen, Verkaufen oder Ausliefern; aber niemals ließen sie einen näher an die Fleischtöpfe ihrer Schiebereien; und kamen sie dahinter, daß man geschickt genug war, selbst ein kleines Nebengeschäft aufzuziehen, konnte man gehen.
    Und auf dem Strip, wo ein elegantes Agentenbüro neben dem andern lag, dazwischen Kabaretts und protzige Läden — und genauso in der Gegend der palastähnlichen Villen in den Hügeln und auf den palmengeschmückten Avenuen, wo die Reichen lebten und ihre Fäden zogen würden sie einem erst recht einen Riegel vorschieben, wenn man sie auf ihrem eigenen Feld schlagen und sich in einer ihrer Branchen betätigen wollte.
    Joe Sears war mit diesem Wissen um eine sich selbst verzehrende Zivilisation
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