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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit
Autoren: Paul Gallico
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unsere Heimat. Man kann ja so tun, als wäre man besonders hart, und sagen, das bedeute gar nichts, aber es bedeutet eben doch etwas. Man ist Amerikaner, und damit ist man ein ganz bestimmter Bursche, vielleicht nicht der beste auf der Welt, aber so ist man nun eben, und dort gehört man hin.»
    Dr. Levi nickte: «Dann besuchen Sie uns einmal. Wir werden oft an Sie denken.»
    «Wenn wir’s können, werden wir’s tun.»
    Dr. Levi hob das Glas noch einmal. « Schalom!» sagte er.
    Sears erwiderte: « Schalom , und vielen Dank, Doktor.»
    Sie tranken die Gläser aus.

    Die Ermüdung und Ernüchterung der Abreise lasteten schwer auf Sears und Clary.
    Die Sonne war von tropischer Hitze und strahlte mit Hochofenglut auf ihre Köpfe, als sie an der Reling der Esdraelon standen und auf das Durcheinander der ausgedehnten Hafenanlagen von Haifa und auf den Jungen und den alten Herrn hinunterblickten, die dort standen und jene sinnlosen Albernheiten heraufriefen, die sich immer wiederholen, wenn man sich auch schon verabschiedet hat und das Letzte gesagt worden ist — doch das Schiff blieb hartnäckig an seinem Anlegeplatz vertäut liegen.
    Aber weder Sears noch Clary vermochten sich von der Reling loszureißen, auch die beiden dort unten brachten es nicht fertig, sich umzudrehen und aus dem Leben des Paares herauszutreten, mit dem ihr Schicksal so eng verknüpft gewesen war.
    Sears schaute hinunter und fragte sich, was nun aus dem Geheimnis geworden war, das Dr. Levi und seinen Neffen umgeben hatte. Jetzt sah er nur einen stämmigen alten Herrn, der einen schwarzen Hut und einen Spazierstock trug und bald in ein kleines Dorf zurückgehen würde, um seine Beete zu hacken und seine Zwiebeln und Rüben vielleicht mit der gleichen zärtlichen Bewegung zu gießen, die man überall in Israel sehen konnte, wenn Wasser aus einer Gießkanne über etwas Lebendiges gegossen wurde. Er würde zufrieden sein, dies tun zu können, und vielleicht würde er manchmal auf einen Berggipfel steigen und glauben, er redete mit Gott — bis ans Ende seiner Tage.
    Auch auf dem braunen Gesicht und an der Gestalt Ben-Isaaks, der zu ihnen heraufstarrte und von Zeit zu Zeit winkte, schien nichts mehr von dem Glanz, der Würde und dem Aussehen eines jungen Gottes zu sein. Hier gab es so viele wie er, überall in der Menge, die sich zum Abschied am Pier drängte, große Männer und Jungen, ebenso bronzebraun wie er, beherrscht und zäh, die Leinen verholten, einen Haken in einen Ballen oder in eine Kiste schlugen, und dabei eine solche Heftigkeit und ein solches Behagen zeigten, als hätten sie es mit einem Feind zu tun.
    Auch er würde nun in seinem Land seßhaft werden, an seinem Aufbau teilnehmen, heiraten und Kinder aufziehen in dem endlosen, mühsamen Prozeß, der einsetzte, wenn das Abenteuer und jene seltenen Ereignisse, die die Begünstigten ein wenig über die Menge herausheben, vorbei sind.
    Nun, das hatten er, Joe Sears, und das Mädchen neben ihm, das seine Frau werden sollte, auch erlebt — die Augenblicke der Verrücktheit und der Inspiration. Und nun waren sie auf der Rückfahrt, um den Kampf gegen das tödliche, verschleißende Leben aufzunehmen, nur um am Leben zu bleiben — und was würde dann von den großen Augenblicken übrigbleiben, die ihnen geschenkt worden waren?
    Er warf Clary, die neben ihm stand und zu den beiden Männern dort unten hinablächelte, einen Blick zu; doch er konnte nicht erraten, was sie dachte oder ob sie auch mit dem Herzen und nicht nur mit den Augen lächelte. Aber er hatte den Eindruck, sie denke und fühle wie er. Wie konnte man dem entgehen? Plötzlich fühlte er sich zornig über den Verlust seiner Illusionen. Er wünschte, er wäre eine Riesenaxt, um die Trossen zu durchhauen, die sie noch mit den Resten ihres Abenteuers verbanden. Wo und wie konnte er das Leben höher heben, das er mit Clary beginnen wollte?
    Die Esdraelon heulte dreimal. Das Durcheinander von Winken und Rufen brach noch einmal unten auf dem Pier aus.
    «Schalom!» rief Dr. Levi.
    «Schreibt mir!» schrie Ben-Isaak.
    Doch diesmal waren die Trossen gelöst und glitten ins Wasser; das Schiff schauderte im Dröhnen der Maschinen. Zwischen ihm und dem Land breitete sich Wasser aus.
    Die beiden standen und winkten, bis die Gestalten auf dem Pier allmählich kleiner wurden und verschwanden.
    Das Schiff lief vorwärts, dann zurück und drehte, wandte den Bug der Öffnung in der Mole zu, dem goldenen Strand, der sich nach Akkra hin krümmte,
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