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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit
Autoren: Paul Gallico
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fast erschöpft. Sie begann bereits, sich einsam und erbittert über das zu fühlen, was ihnen beiden da geschah. Sie erwiderte: «Du machst es mir sehr schwer, Joe. Ich möchte dich nicht verletzen.»
    Sears sagte: «Das wäre nicht das erste Mal, daß ich verletzt werde. Glaub mir, für mich ist es eine Neuheit, einem Menschen zu begegnen, der es mir gegenüber nicht gern tut.»
    «Eine Frau kann gewisse Dinge an einem Mann lieben und ihn gleichzeitig doch verachten und seine Fehler verabscheuen. Sie kann ihn lieben und den Abgrund deutlich sehen, der sich vor ihnen auftut. Sie kann ihn lieben und ihn gleichzeitig fürchten — wie die Hölle fürchten, weil sie weiß, was für ein Mensch er ist.»
    Sears sagte grob: «Unsinn. Wenn eine Frau einen Mann liebt, dann liebt sie ihn — und damit aus. Er kann der größte Schurke auf zwei Beinen sein...»
    «O Gott!» brach Clary aus. «Du gefällst dir aber in der Rolle, deine Fehler wie Ketten zu tragen und damit zu rasseln. Kannst du mir dann die meinen nicht lassen? Ich sagte dir doch, daß ich kein ordentliches Mädchen bin. Ja, ich wäre mit dir oder für dich zur Hölle gegangen, aber ich hätte dich nicht geheiratet, deine Kinder nicht zur Welt gebracht oder versucht, ein Leben mit dir zu führen.»
    Es war seltsam, welch starke Verachtung sie einem Menschen gegenüber, den sie so sehr liebte, in ihre Stimme zu legen vermochte. «Nun gibt es keine Höhlen mehr, in die du laufen kannst, um dich zu verstecken, Joe Sears. Du hast dir einmal ins Auge geblickt, und nun kannst du dir selber nie wieder entrinnen. Du hast dich vor deinem Gewissen und vor deinem Gott einmal als Mann und als Mensch erniedrigt. Du hast um Hilfe gebetet. Glaubst du, dieses Gebet zurücknehmen zu können?»
    Darauf schwieg er und sprach lange Zeit nichts. Das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr fiel ihm ins Auge, und er schaute darauf.
    «Weißt du, wie spät es ist?»
    «Nein.»
    «Kurz vor Mitternacht.»
    «Wir müssen zurück.»
    «Wir haben noch nichts gelöst.»
    «Das ist richtig, wir haben nichts gelöst.»
    «Außer daß wir uns lieben und nicht wissen, was wir daran tun sollen.»
    Clary rief: «Ach, Joe, ich fühle mich so erbärmlich...»
    Er ruderte auf die dunkle Baumgruppe zu, neben der die hellen Scheinwerfer der beiden Wohnwagen am Ufer die Lage von Ain Ta-bigha bezeichneten.
    Doch als er das Boot an Land setzte und ihr beim Aussteigen half, spürte er das Zittern ihrer Hand. Er hob sie heraus, hielt sie in den Armen und küßte sie; sie gab seine Küsse zurück, und beide wurden von der lange zurückgehaltenen Leidenschaft so hingerissen, daß sie atemlos und schwindlig waren und das Verlangen nacheinander sie fast überwältigte.
    Doch wie alle Liebenden, die in den Mahlstrom der menschlichen Triebe geraten und der Hilflosigkeit nahe sind, hielten sie inne, um zu einem letzten Blick einen halben Schritt zurückzutreten; es war etwas wie ein Abschied für die Menschen, die sie waren, ehe die letzte Vereinigung sie für immer verwandeln würde.
    Und in diesem Augenblick fanden sie die Herrschaft über sich wieder.
    Clary entzog sich seiner Umarmung und trat zurück. «Nein, Joe, bitte nicht!» Und dann setzte sie mit einem leisen Keuchen hinzu: « Das wußten wir doch...»
    Er versuchte nicht, sie noch einmal an sich zu ziehen. Er sagte nur: «Ja, damit ist auch nichts gelöst.»
    Langsam gingen sie zum Lager zurück, nebeneinander, die Finger ineinander verschränkt, in Gedanken, Befürchtungen und Selbstbeschuldigungen versunken, die sie immer noch quälten.

35

    Dies ist meine Ruhe ewiglich, hier will ich wohnen; denn es gefällt mir wohl.
    psalm 132, 14

    Als Sears und Clary zum Hospiz zurückkehrten, brannte Licht, und es herrschte eine für diese Nachtzeit ungewöhnliche Geschäftigkeit; Gestalten huschten an den Fenstern vorüber; und als die beiden näher kamen, hörten sie etwas wie Singen, das aus dem Haus drang.
    Keiner von beiden sprach, doch die Finger schlossen sich fester ineinander, und obwohl sie sich dessen nicht bewußt wurden, überfiel sie ein Drängen, und sie gingen rascher.
    Im Garten, nicht weit von der Kapelle der Brotlaibe und Fische entfernt, deren Kuppel in das silberne Licht des hochstehenden Mondes getaucht war, begegneten sie Dr. Levi, der neben Pater Hofstätter ging. Die beiden Männer sprachen leise miteinander, hielten jedoch inne und schauten auf, als die beiden näherkamen; Sears und Clary sahen, daß die Gesichter der beiden Männer
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