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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit
Autoren: Paul Gallico
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Anruf aus Übersee.
    Der Butler nahm die fein gravierte Karte: «Mr. Joseph Deuell Sears», und fragte: «Haben Sie eine Verabredung mit Miss Adams?»
    Sears erwiderte: «Gewiß, sonst wär ich ja nicht hier. Bringen Sie ihr bitte meine Karte.»
    Der Butler warf einen Blick darauf, und ein Schimmer der Erinnerung trat auf sein Gesicht. «Entschuldigung, sind Sie vielleicht der Herr, der einen dringenden Anruf aus London erwartet?»
    Sears spielte an seiner Manschette. «Ja. Ist er gekommen? Das Hotel muß ihn hierher haben legen lassen. Das tut mir leid.»
    «Es wurde ausgerichtet, Sie möchten Überseevermittlung, Platz neunundfünfzig, anrufen.»
    Sears sah auf die Uhr. «Danke. Das kanh warten, bis ich Miss Adams gesprochen habe.»
    Der Butler legte die Karte auf einen Präsentierteller und ging hinaus. Ben-Isaak sagte zu Sears: «Du bist gerissen. Und wenn sie dich nicht sprechen will?»
    «Sie wird mich nicht abweisen. Ich habe Verwirrung gestiftet, und sie zweifelt, ob eine Verabredung getroffen worden ist; ich habe mir eine Identität geschaffen, und nun bin ich hier. Bist du nervös?»
    «Nein. Weshalb sollte ich nervös sein?»
    Sears nickte anerkennend. «Tüchtig! Mach dir keine Sorgen. Wir sind so gut wie drin. Ich habe eine Hand für alte Jungfern. Sie haben alle eine Schwäche für mich. Mit Miss Adams werde ich fertig.»
    Der Butler kam zurück ins Vorzimmer. «Miss Adams erinnert sich nicht, eine Vereinbarung mit Ihnen getroffen zu haben, wenn sie auch eine Reihe von Nachrichten erhalten hat. Aber da Sie nun einmal da sind, will sie mit Ihnen sprechen. Wollen Sie bitte mitkommen.»
    Sears erhob sich. «Natürlich. Ben-Isaak wird hier warten, bis ich ihn rufen lasse.»
    Sears folgte dem Diener, der dicke Teppich erstickte die Geräusche ihrer Schritte und rief ein angenehmes Gefühl in ihm hervor. Wie er den Luxus liebte! Selbst in dieser gespannten Schwebe zwischen Nervosität und Frohlocken genoß er den Vorgeschmack davon. Das ungeheure Haus war voller Schweigen und dunkler Winkel; es gab eine riesige Treppe, mächtige Räume, die von unbeleuchteten Korridoren abgingen, verirrte Lichtstrahlen fielen auf schwere Möbelstücke. Manchmal läutete eine Klingel, oder irgendwo schrillte ein Telefon.
    Sie bogen um eine Ecke, der Butler öffnete eine Eichentür und ging ihm ins Zimmer voran. Sears sah, daß es ein langer getäfelter Arbeitsraum in warmen Rot- und Brauntönen mit einem großen Kamin war, in dem ein Feuer brannte. Am jenseitigen Ende, in der Mitte eines kleinen Lichtkreises, stand ein großer Schreibtisch, an dem eine Frau saß; den Kopf gebeugt, studierte sie Papiere. Auf dem Schreibtisch standen mehrere Telefone und ein Diktiergerät. Die sonstige Möblierung des Zimmers bestand nur aus einem langen polierten Konferenztisch und den dazugehörigen Stühlen.
    Der Butler sagte: «Miss Adams — Mr. Joseph Sears.» Dann drehte er sich um, ging hinaus und schloß die Tür hinter sich.
    Sears wurde sich eines ärgerlichen Gefühls bewußt. Er mußte den langen Weg bis zum Schreibtisch der Frau gehen wie ein Schuljunge, der vom Lehrer vorgerufen worden war. Dann lächelte er bei sich selbst. In dem Spiel in diesem Haus gab es also auch eine Inszenierung mit einer psychologischen Eröffnung.
    Er legte Hut, Stock und Handschuhe auf den Konferenztisch, faßte nach dem Schlips und wanderte durch den langen Raum. Als er drei Viertel der Strecke zurückgelegt hatte, nahm die Frau am Schreibtisch die horngefaßte Brille ab, legte sie vor sich auf die Tischplatte, wandte den Kopf und sah ihn an. Da blieb Mr. Joseph Deuell Sears wie angewurzelt stehen; ihm war, als sei er gegen eine unsichtbare Wand gestoßen.
    Die erste Runde ging rettungslos an den Gegner. Sears hatte seine Pläne, den Klang seiner Stimme, seine geistige Haltung auf eine ältliche Jungfer mit verkniffenen Lippen eingestellt — auf ein Mädchen war er nicht vorbereitet.
    Sie war groß und hatte sehr schlanke Arme. Die Haut besaß die Blässe der Menschen, die sich wenig im Freien aufhalten, doch oft und lange heiße Bäder nehmen und viele Cremes und Salben benutzen. Er sah, daß sie braunes Haar hatte, das fast zu weich und zu dicht war, von dem spitzen Oval ihres Gesichts durch ein schmales Samtband zurückgehalten. Sie trug eine weiße Bluse mit kurzen Ärmeln und einen Rock aus einem teuren dunklen Stoff.
    Er spürte sofort, daß dieses Mädchen etwas wie ein Paradoxon war — eine beunruhigende Schönheit unter Glas, eine Blume,
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