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Sommerzeit

Titel: Sommerzeit
Autoren: Mari Jungstedt
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Montag. 10. Juli

    A ls die Nacht in den Morgen überging, fuhr ein Auto nordwärts über die einsame Landstraße, die Fårö in zwei Hälften teilt. Es regnete jetzt nicht mehr. Die schweren Wolken lagen noch immer wie eine graue Decke über dem Himmel. Die Vögel waren schon seit drei Uhr am Werk, das Licht der Dämmerung hatte sich über Felder und Wiesen gebreitet. Im Morgennebel waren Ebereschen, krumme Tannen und Steinmauern zu erahnen. Wie hingestreut lagen die Bauernhöfe aus gotländischem Kalkstein da, dazu hier und dort ein flügelloser Windmühlenrumpf. Herden von schwarzen Schafen lagerten auf den Weiden. Gelassen erhoben sich vereinzelte Tiere und begannen das magere Gras zu weiden, das den kargen Boden bedeckte.
    Oben beim Campingplatz Sudersand auf Nordfårö herrschte noch immer Stille, obwohl er jetzt mitten im Sommer voll belegt war. Das Gelände zog sich über drei Kilometer am feinsandigen Strand hin, Wohnwagen und Zelte standen sorgfältig aufgereiht. Die schwedischen Flaggen an den Eingängen hingen feucht und schlaff an ihren Stangen. Hier und dort standen Holzkohlengrills herum, und auf Plastiktischen vereinzelte Weingläser, vom
Abendessen des Vortags übrig geblieben. Badetücher waren mit Wäscheklammern an provisorisch angebrachten Wäscheleinen geheftet, sie trieften vom nächtlichen Regen. Gestreifte Liegestühle in fröhlichen Farben, Luftmatratzen, Badespielzeug lagen verstreut umher. Und das eine oder andere Fahrrad.
    Im Zentrum des Geländes stand ein Holzhaus: Mehrere Türen führten zu Küche und Waschküche, Toiletten und Duschraum. Eine gut organisierte Urlaubsgemeinschaft, einen Steinwurf vom Meer entfernt.
    In einem Wohnwagen ganz am Rand des Campingplatzes schlug Peter Bovide wie immer um Punkt fünf Uhr die Augen auf. Nur aus Gewohnheit schaute er auf die Uhr, die in einem Regal neben dem Bett lag.
    Immer dasselbe. Ausschlafen gab es in seiner Welt nicht.
    Er blieb eine Weile liegen und starrte die Decke an, doch er wusste, dass er nicht wieder einschlafen würde. Die vielen Jahre auf dem Bau hatten ihre Spuren hinterlassen. Die innere Uhr war nur schwer umzustellen. Aber eigentlich machte das ja nichts. Es war schön, ein wenig Zeit für sich zu haben, ehe Vendela und die Kinder aufwachten. Er nutzte diese Zeit meist, um zu laufen und sein Krafttraining zu absolvieren.
    In der Nacht hatte er lange auf den Regen gelauscht, der auf das Blechdach des Wohnwagens prasselte. Sein Schlaf war unruhig gewesen. Jetzt regnete es offenbar nicht mehr, trübes Morgenlicht sickerte durch die dünnen Baumwollvorhänge.
    Er betrachtete seine schlafende Frau. Die Decke war weggerutscht, und Vendela lag auf der Seite. Sie streckte sich in ihrer ganzen Länge aus. Mit ihren eins achtzig war
sie ein wenig größer als er selbst. Er fand das sexy. Sein Blick wanderte über ihre schlanken Beine und die Rundung der Hüften, und er konnte ihre kleinen Brüste ahnen. Er spürte, wie er eine Erektion bekam, aber jetzt war dafür nicht der passende Moment. Die Kinder lagen auf ihren schmalen Pritschen. Der fünfjährige William mit offenem Mund, die Arme genüsslich über den Kopf gehoben, als gehöre ihm die ganze Welt. Die dreijährige Mikaela in Embryostellung zusammengerollt, den Teddy im Arm.
    Vier Wochen lagen vor ihnen, frei und ohne Verpflichtungen. Zwei Wochen davon auf Fårö, anschließend warteten zwei Wochen auf Mallorca auf sie. In letzter Zeit war es in der Firma gut gelaufen.
    »Bist du wach?«, hörte er Vendelas helle, ein wenig träge Stimme hinter sich, als er gerade auf dem Weg zur Tür war.
    »Ja, Liebling. Ich laufe eine Runde.«
    »Warte. Komm her.«
    Sie lag noch immer auf der Seite und streckte die Arme nach ihm aus. Er umarmte sie und legte seinen Kopf an ihre schlafwarme Brust. In ihrer Beziehung war sie die Starke, während er, trotz seines robusten Äußeren, empfindlich und verletzlich war. Niemand sonst in seiner Nähe wusste, wie es ihm wirklich ging. Während seiner wiederkehrenden Panikanfälle weinte Peter in den Armen seiner Frau oft wie ein Kind, während sie ihn beruhigte, tröstete, ihm wieder auf die Beine half. Doch das behielten sie für sich. Die Angst kam in Wogen, immer unerwartet, immer unwillkommen, wie ein ungebetener Gast.
    Wenn sich die ersten Symptome einstellten, versuchte er sie zu unterdrücken, an etwas anderes zu denken. Doch
das gelang ihm selten. Wenn der Anfall erst einmal begonnen hatte, ließ er sich meistens nicht mehr stoppen.
    Seit
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