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Sommerzeit

Titel: Sommerzeit
Autoren: Mari Jungstedt
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nur persönlich nahe, sie zeigte nun auch voll und ganz, was sie konnte. Sie war dermaßen energiegeladen, dass er sich manchmal fürchterlich ineffizient vorkam, der langsamste Phlegmatiker, den man sich nur vorstellen konnte. Aber das störte ihn nicht. Anders
Knutas bewunderte Karin; das war schon so, als sie vor über fünfzehn Jahren ihre Zusammenarbeit begonnen hatten.
    Der Neid einiger Kollegen auf Karins Beförderung hatten sich verflüchtigt. Der Einzige, dem sie offenbar immer noch schwer im Magen lag, war der Pressesprecher Lars Norrby, der sich übergangen fühlte. Obwohl sie seit vielen Jahren zusammenarbeiteten, ertappte Knutas sich manchmal bei dem Wunsch, Norrby möge die Polizei von Visby verlassen. Sein Verhalten Karin gegenüber, seit sie zur stellvertretenden Chefin ernannt worden war, war einfach peinlich.
    Er hoffte, dass für Karin während seines Urlaubs alles glatt lief. An seinem letzten Tag im Büro hatte alles ruhig gewirkt. Die Touristensaison hatte nun zwar den Höhepunkt erreicht, aber daran waren sie ja gewöhnt. Die größten Probleme hatten sie mit den Stockholmer Jugendlichen, die in Horden mit der Fähre anrückten, um in Visby zu feiern. Das brachte jeden Sommer Suff, Streitigkeiten, Drogen und leider auch mehrere Vergewaltigungen mit sich. Es war unangenehm, aber nichts, womit Karin nicht fertigwerden konnte.
    In einer Woche würde er bereits wieder zurück sein. Hoffentlich würde in seiner Abwesenheit nichts wirklich Ernsthaftes passieren.

    U m 09.42 am Montagmorgen wurde bei der Visbyer Polizei Alarm ausgelöst. Zwei kleine Jungen hatten am Badestrand Sudersand auf Fårö im Wasser einen Toten gefunden. Einer der Jungen war beim Schwimmen gegen den Leichnam gestoßen, der an die zwanzig Meter vor dem Strand im Wasser trieb.
    Als die stellvertretende Leiterin der Dienststelle, Karin Jacobsson, und Kriminalinspektor Thomas Wittberg am Fundort eintrafen, hatte sich am Strand bereits eine Menschenmenge versammelt. Nach der verregneten Nacht lugte die Sonne hervor. Erik Sohlman, der Kriminaltechniker, hatte endlich Unterstützung bekommen, um die Umgebung abzusperren und ein weißes Plastikzelt aufzubauen, das den Leichnam vor Sonne und neugierigen Blicken schützte. Als sie das Zelt erreichte, griff Sohlman Karin aufgeregt am Arm.
    »Er ist ermordet worden, so viel ist sicher. Mit einem Schuss zwischen die Augen, aber das ist nicht alles. Du musst sofort um Verstärkung bitten, dann zeige ich dir die Details.«
    Karin zog ihr Telefon hervor und forderte mehrere Kollegen und Hundestreifen nach Sudersand an. Außerdem
ordnete sie an, alle Wagen zu überprüfen, die Fårö mit der Fähre verlassen wollten. Sie drehte sich zu den Kollegen um, die gerade Absperrbänder anbrachten, und rief:
    »Wir müssen einen viel größeren Bereich absperren!«
    Karin und Sohlman betraten das provisorische Zelt, in dem der Leichnam unter einem Laken lag.
    »Bist du so weit?«
    Sohlman warf einen Blick in das blasse Gesicht seiner Kollegin. Karin konnte den Anblick von Toten nicht ertragen. An Mordstätten wurde ihr regelmäßig schlecht. Als der Kriminaltechniker die Decke entfernte, presste Karin sich ein Taschentuch an den Mund.
    Der Tote war in ihrem Alter. Er hatte ein markantes Gesicht mit tiefliegenden und ungewöhnlich hellen Augen. Fast keine Augenbrauen. Hohe Wangenknochen und ein schwacher Unterbiss. Ohne das Schussloch hätte er friedlich ausgesehen.
    »Der Schuss wurde aus einer Entfernung von nur wenigen Zentimetern abgegeben. Das sieht man an der Form, der Mörder war ganz dicht bei ihm. Er hatte keine Chance.«
    »Wie kannst du so sicher sein, dass es kein Selbstmord war?«, murmelte Karin hinter ihrem Taschentuch, während sie gegen die Übelkeit kämpfte.
    »Das hier ist nicht alles. Halt dich jetzt fest.«
    Vorsichtig entfernte Sohlman den Rest der Decke. Karin stieß einen Jammerlaut aus, als sie sah, was sich darunter verbarg. Der Bauch des Mannes war von Schüssen durchsiebt.
    »Völlig zerschossen. Ich habe sieben Schüsse in den Bauch gezählt. Der absolute Wahnsinn.«
    Karin beugte sich vor und erbrach sich.

    A ls das Telefon klingelte, stand Johan gerade auf einer Weide und interviewte einen Bauern, der sich über die gekürzten EU-Subventionen beklagte. Johan hatte vor dem Interview vergessen, das Telefon auszuschalten, eine Ungeschicklichkeit, die einem Fernsehreporter eigentlich nicht passieren dürfte. Aber jetzt war es zu spät. Die Fotografin Pia Lilja verdrehte die
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