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Sommerzeit

Titel: Sommerzeit
Autoren: Mari Jungstedt
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einiger Zeit ging es ihm recht gut. Aber er wusste, dass die panische Angst sich bald wieder einstellen würde. Gelegentlich trat sie zusammen mit der Epilepsie auf, unter der er in seiner Jugend gelitten hatte. Die Anfälle kamen jetzt nur noch selten, aber die Angst davor steckte die ganze Zeit in seinem Hinterkopf. Hinter seiner selbstsicheren Fassade war Peter Bovide ein verängstigter Mensch.
    Als er Vendela kennengelernt hatte, befand sich sein Leben gerade in einer steilen Abwärtskurve. Der Alkohol hatte ihn fest im Griff, er vernachlässigte seine Arbeit und verlor die Realität mehr und mehr aus dem Blick. Er hatte keine feste Freundin, längere Beziehungen schlugen bei ihm immer fehl. Er ließ niemanden an sich heran und wagte es auch nicht, anderen wirklich nahezukommen.
    Bei Vendela hatte sich das alles geändert.
    Als sie sich sechs Jahre zuvor auf der Finnlandfähre begegnet waren, war er auf den ersten Blick verliebt gewesen. Sie kam aus Botkyrka und arbeitete in einem Casino in Stockholm als Croupier. Als Vendela schon nach einem halben Jahr Beziehung schwanger geworden war, heirateten sie und kauften einen alten Hof außerhalb von Slite. Ein Renovierungsobjekt, das sie billig erstanden, und da er von Beruf Zimmermann war, konnte er die meisten Arbeiten selber ausführen.
    Die beiden Kinder wurden im Abstand von zwei Jahren geboren. Alles lief wunderbar. Seit fünf Jahren betrieb er zusammen mit einem alten Kumpel eine eigene Baufirma, und nach und nach hatten sie weitere Mitarbeiter anstellen
können. Mittlerweile lief die Firma so gut, dass sie mehr Aufträge hatten, als sie bewältigen konnten. Auch wenn in letzter Zeit neue schwarze Wolken aufgetaucht waren, bisher wurde er doch mit allem fertig.
    Die Dämonen hetzten ihn immer seltener.
    Vendela drückte ihn an sich.
    »Ich kann es nicht fassen, dass wir jetzt so lange Ferien haben«, murmelte sie mit dem Mund an seinem Hals.
    »Das ist verdammt toll.«
    Eine Weile lagen sie schweigend da und horchten auf die regelmäßigen Atemzüge der Kinder. Bald aber machte sich die alte Unruhe in seinem Körper bemerkbar.
    »Ich lauf jetzt los.«
    »Na gut.«
    Wieder umarmte sie ihn.
    »Ich bin bald wieder da. Und dann setze ich Kaffee auf.«
     
    Es war befreiend, den engen Wohnwagen verlassen zu können. Vom Meer wehte der frische Duft von Tang und Salz herüber. Es regnete nicht mehr. Er füllte seine Lungen mit Luft und trat zum Pinkeln an den Waldrand.
    Er musste einfach jeden Morgen laufen. Er war kein Mensch, wenn er den Tag nicht mit einer Runde beginnen durfte. Als er Vendela kennengelernt und mit dem Trinken aufgehört hatte, hatte er sich stattdessen aufs Laufen verlegt. Seltsamerweise hatte das bei ihm dieselbe Wirkung wie der Alkohol. Irgendeine Droge brauchte er, um die Angst auf Distanz zu halten.
    Der Weg war weich unter seinen Füßen. Auf beiden Seiten zogen sich Sanddünen und mit Gras bewachsene
Hügel dahin. Bald hatte er den Strand erreicht. Das Meer war unruhig, die Wellen tanzten hin und her. Weiter draußen balancierte eine Schar Wasservögel auf den Wellenkämmen.
    Er lief jetzt am Wasser entlang nach Norden. Die Wolken hingen schwer über dem bleigrauen Himmel, und der Sand klebte nach dem nächtlichen Regen an seinen Schuhen. Schon bald war er schweißnass. Hinten bei der Landspitze machte er kehrt. Beim Laufen konnte er Klarheit in seine Gedanken bringen. Es war für ihn wie eine Erholungspause.
    Auf dem Rückweg sah er in der Ferne eine Gestalt, die auf ihn zukam, die dann aber plötzlich stolperte und in den Sand fiel und liegenblieb, scheinbar ohne einen Versuch, wieder aufzustehen. Besorgt beschleunigte er sein Tempo
    »Ist etwas passiert?«
    Das Gesicht, das sich zu ihm hob, war ausdruckslos, der Blick kalt und gleichgültig. Die Frage blieb unbeantwortet.
    Für einige Sekunden stand die Zeit still, er erstarrte. Ein unruhiges Gefühl rührte sich in seinem Magen. Tief in seinem Innern wurde etwas Verborgenes zum Leben erweckt, etwas, das er seit Jahren zu verbergen versucht hatte. Aber nun war es wieder da.
    Die Augen, die ihn fixierten, strahlten jetzt Verachtung aus.
    Er brachte keinen Laut heraus, er keuchte, der vertraute Schmerz in der Brust stellte sich ein. Er versuchte verzweifelt, sich aufrecht zu halten.
    Doch sein Körper wurde weich, schlaff.
    Dann erblickte er den Lauf der Pistole, der genau auf
ihn zeigte. Er fiel auf die Knie, und in seinem Kopf verstummte alles. Die Gedanken hörten auf.
    Der Schuss traf
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