Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels
Autoren: Brandon Sanderson
Vom Netzwerk:
Manchmal befürchte ich, dass ich nicht der Held bin, den alle in mir sehen.
    Die Philosophen versichern mir, die Zeit sei gekommen, und die Zeichen seien eindeutig. Aber ich frage mich immer noch, ob sie nicht den falschen Mann haben. So viele Menschen sind von mir abhängig. Sie sagen, ich halte die Zukunft der gesamten Welt in den Händen.
    Was würden sie wohl sagen, wenn sie wüssten, dass ihr Meister - der größte Held aller Zeiten, ihr Retter - an sich selbst zweifelt? Vielleicht wären sie gar nicht mal entsetzt. Und genau das ist es, was mir in gewisser Hinsicht die meisten Sorgen bereitet. Vielleicht zweifeln sie in ihren Herzen ebenfalls - genau wie ich.
    Sehen sie in mir einen Lügner?

Prolog
    A sche fiel vom Himmel.
    Graf Tresting runzelte die Stirn und sah hinauf zum rötlichen Mittagshimmel, während er über sich und seinem geschätzten Gast einen Schirm aufspannte. Ascheregen war nicht ungewöhnlich im Letzten Reich, doch Tresting hatte gehofft, Rußflecken auf seinem neuen Mantel und der roten Weste vermeiden zu können, die vor kurzem mit dem Kanalboot direkt aus Luthadel eingetroffen waren. Zum Glück war es nicht sehr windig; der Schirm würde also das Schlimmste abhalten.
    Tresting stand mit seinem Gast auf einer kleinen Terrasse, welche vom Hügel aus die Felder überblickte. Hunderte Menschen in braunen Kitteln arbeiteten in der niedergehenden Asche und kümmerten sich um das Getreide. Ihren Bemühungen haftete etwas Schwerfälliges an, aber so waren die Skaa nun einmal. Diese Bauern waren ein träger, unproduktiver Haufen. Sie beschwerten sich natürlich nicht, dazu waren sie nicht dumm genug. Sie arbeiteten einfach mit gebeugten Köpfen weiter und gingen teilnahmslos ihren Tätigkeiten nach. Die Peitsche des Zuchtmeisters vermochte sie für kurze Zeit zu entschiedeneren Bewegungen anzutreiben, doch sobald er weiterging, verfielen sie wieder in ihre gewohnte Mattigkeit.
    Der Graf wandte sich an den Mann, der neben ihm auf dem Hügel stand. »Man sollte doch glauben, dass mehr als tausend Jahre Feldarbeit sie etwas effektiver gemacht hätten«, bemerkte er.
    Der Obligator nickte und hob eine Braue. Es war, als sei diese knappe Bewegung nur geschehen, um sein charakteristischstes Merkmal zu unterstreichen: verschlungene Tätowierungen, welche die Haut um die Augen herum bedeckten. Diese Tätowierungen waren enorm; sie reichten bis hoch zur Stirn und setzten sich auch an den Nasenflügeln fort. Er war ein Prälan - ein wirklich sehr wichtiger Obligator. Im Haus hatte Tresting seine eigenen Obligatoren, doch sie waren nur niedere Würdenträger und trugen kaum mehr als ein paar eintätowierte Zeichen um die Augen. Dieser Mann hier war mit demselben Kanalboot aus Luthadel eingetroffen, das auch Trestings neue Kleider befördert hatte.
    »Ihr solltet erst einmal die Stadt-Skaa sehen«, meinte der Obligator, während er sich umdrehte und die Skaa-Arbeiter beobachtete. »Diese hier sind eigentlich recht emsig, wenn man sie mit denen in Luthadel vergleicht. Ihr habt eine größere ..., will sagen, eine direkte Kontrolle über Eure Skaa hier. Was glaubt Ihr, wieviele habt Ihr diesen Monat verloren?«
    »Etwa ein halbes Dutzend«, sagte Tresting. »Einige sind an den Schlägen gestorben, andere an Erschöpfung.«
    »Flüchtige?«
    »Niemals!«, betonte Tresting. »Kurz nachdem ich das Land von meinem Vater geerbt habe, gab es ein paar Ausreißer. Ich habe ihre gesamten Familien hinrichten lassen. Da hat der Rest schnell den Mut verloren. Ich habe nie begriffen, wie man mit den Skaa Schwierigkeiten haben kann. Meiner Meinung nach sind diese Kreaturen einfach zu kontrollieren, wenn man nur hart genug durchgreift.«
    Der Obligator nickte; er bewegte sich kaum in seiner grauen Robe. Anscheinend war er zufrieden, was ein gutes Zeichen war. Die Skaa waren streng genommen nicht Trestings Eigentum. Wie alle Skaa gehörten sie dem Obersten Herrscher. Tresting hatte die Arbeiter nur von seinem Gott gemietet, so wie er auch für die Dienste der Obligatoren Seiner Majestät bezahlen musste.
    Der Obligator senkte den Blick auf seine Taschenuhr und schaute dann hoch zur Sonne. Trotz des Ascheregens war es heute sehr hell; die Sonne leuchtete in einem strahlenden Karmesinrot hinter der rauchigen Schwärze des oberen Himmels. Tresting zog ein Taschentuch hervor und wischte sich damit über die Stirn. Er war dankbar für den Schatten unter dem Schirm, der ihn ein wenig vor der Mittagshitze schützte.
    »Sehr gut,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher