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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman
Autoren: Constanze Petery
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SCHWÜLE INSZENIERUNG
    Der Wind ist nicht plötzlich gekommen. Ich habe ihn bestellt. Für diesen Moment, ein perfekter Augenblick in einem perfekten Leben. Ich habe gelesen, es wäre in dieser Saison in, die Haare kurz zu tragen, Bob oder Pixie-Schnitt. Arme Kinder, die diesem Rat folgen, seht mich an, ich gehorche dem Diktat nicht, ich diktiere. Wer wird den Mädchen nachblicken, deren plumper Topfschnitt vom Wind, von meinem Wind, verstrubbelt wird, während ich daneben stehe, die lange blonde Mähne einer seidenen Fahne gleich. Ich sage euch, Kinder: Was ich tue, ist in. Ich überquere den Platz, trete aus dem Schatten der umliegenden Gebäude in die Sonne. Ist das nicht das Bild, das ihr alle von mir habt? Wo ich hinkomme, wird es hell, strahlend, ich bin der Glamour, den alle so dringend brauchen.
    Hat jemand das Blitzen bemerkt, das von meinen Augen ausgeht und bis in die letzte Haarspitze, bis in den kleinen Zeh weitergegeben wird, nur um einen Kreis um mich zu bilden, einen Feuerkreis, einen Strahlenkranz? Nein, man müsste fragen: Wer hat es nicht gesehen, wer hat nicht aufgeschaut, wer spürt die Kraft nicht, die in meinem Glanz lebt? Keiner, sie alle haben sich mir zugewandt, der Gelkopf mit der Lederjacke einer Autofirma genauso wie der Tweedrock, der einem verrotzten Kleinkind ein Tempo vor die Nase
hält, der Kellner im Café gegenüber lässt beinahe das Tablett fallen, Espresso tropft auf den bunten, orientalisch anmutenden, seidenen, sicherlich teuren Wrap-Dress einer Mittfünfzigerin, die ihre Krähenfüße hinter einer überdimensionalen, insektenaugengleichen Sonnenbrille versteckt. Sie wird ihren Sitznachbarn, ihr Rendezvous, nicht halten können, er hat mich gesehen, wie sie alle träumt er ab jetzt jede einsame und jede geteilte Nacht davon, dass ich meine Zigarette auf seiner Brust ausdrücke. Ich gehe weiter, die Blicke folgen mir wie Mücken einer Laterne in der Dunkelheit. Meine Schritte knallen auf dem feuchten Pflaster der Gasse, widerhallend von den Fassaden der Geschäfte, grau und riesenhaft. Wenn man den Kopf zurückwirft, ist der Himmel nur ein blassblauer, nie ganz klarer Gebirgsbach zwischen den Häusergiganten, erhellt von einem Punkt dieser Erde, von ihrem Mittelpunkt, von mir.
    Vor mir: ein Hotel, bekannt durch Film und Fernsehen als der unbestrittene Treffpunkt der High Society, ein Zufluchtsort vor dem Leben, das Geld, Prominenz und Einfluss mit sich bringen, mein natürlicher Lebensraum. »Neu: Bar & Lounge im Untergeschoss« lese ich auf dem Schild vor dem Eingang, nein, es sind drei Eingänge, eine imposante Drehtür und zu beiden Seiten schmale Türen, Dienstboteneingänge meiner Meinung nach, von den meisten Leuten benutzt, wer geht schon allein durch die royale Mitte? Ich. Der Rezeptionist schaut mir direkt in die Augen, die Ein- und Auscheckenden, die Gäste und die Stammkunden starren mir nach. Man dreht sich um.
    Roter Teppichboden bedeutet heutzutage auch nichts mehr, verschwenderisch ist die breite Marmortreppe damit ausgelegt,
aber Rot schmeichelt meinem Teint, deshalb gestatte ich es. Die Bar & Lounge ist im Keller, die Stimmung der nicht eingeweihten Beobachter auch. Für Insider ist es einfach cool. Doch ohne mich wüsste man nicht einmal, wie cool man sein kann. Die Musik scheint leiser zu werden, als ich im Türrahmen stehe, das gedimmte Licht wird zu meinem Scheinwerfer, ihr sitzt im Dunklen, denn ich bin die Sonne. Der Barkeeper flüstert, wispert, seine Stimme wirft sich vor mir auf den Boden: »Was darf’s denn sein?« Das Gnä’ Frau hängt in der Luft, königlich-kaiserlicher Adel im Gewand der Hotelerbin.
    Die Perlen des Champagners umschmeicheln den Gaumen, die Zähne, die Zunge, um in einem klaren Strom zu vergehen, ein Gedanke an den Schaum, den bitter-prickelnden Luxus, an diese göttliche Opfergabe von mir an mich, bleibt in meiner Mundhöhle. Das Licht bricht sich in ein paar Discokugeln, an dem Spiegel hinter dem Tresen, am Rand des Glases, verfängt sich als silbriger Glanz in meinen Haaren, die sanft meine Schultern liebkosen.
    Die Sonne ist untergegangen. Immer mehr Nachtmenschen betreten die Bar, meine Bar. Der Manager, mit der ewig gleichen Bewegung, mit dem Lockern des Krawattenknotens, mit diesem Zerren, das für ihn Feierabend bedeutet, Wandel vom eingebundenen Bürosklaven zum Freihalsigen, Untertan nur mir und meiner Schönheit, schleppt sich in die Menge meiner Jünger, wird einer von ihnen.
    Das Touristenpärchen, er trägt einen
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