Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
248 - Entfesselte Gewalten

248 - Entfesselte Gewalten

Titel: 248 - Entfesselte Gewalten
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
Er rauschte auf das schwingenlose Gebilde zu, und der Luftstrom, den er hinter sich herzog, brauste und heulte. Tief unter sich konnte Thgáan seinen Schatten auf der Oberfläche des großen Sees erkennen. Den Schatten des aufgeblähten Fliegers und seines Anhängsels entdeckte er nirgends. Der Andere schwebte nicht mehr über Wasser, sondern hoch über den Wipfeln des Uferwaldes.
    Es wird auf mich schießen…!
    Er flog eine enge Kehre, um nicht in die Schussbahn der Kanone zu geraten. In steilem Winkel jagte er nach unten, denn das Ding flog tiefer als er. Sein Anhängsel war von ovalem Grundriss, ein Kasten aus Holz, Glas und Metall. Die Kanone, die aus seiner Seitenöffnung ragte, machte ihn zornig.
    Nicht noch einmal! Diesmal hole ich das Ding vom Himmel!
    Als nur noch drei Schwingenschläge den Todesrochen von ihm trennten, konnte er durch eines der Fenster die Insassen erkennen. Sie waren von jener Gattung, die Thgáans Herren in besseren Zeiten einmal Primärrasse genannt hatten. Einer stand auf zwei Beinen und starrte ihm entgegen, schwarzhäutig und in farbige Kleider gehüllt. Hinter ihm sah der Todesrochen eine Frau und ein Kind am Boden kauern.
    Mehr musste, mehr wollte er nicht sehen. Er rauschte an dem Ding vorbei, so dicht, dass seine Schwingenspitzen fast den rundlichen Flugkörper oberhalb des gondelartigen Holzkastens gestreift hätten.
    Dann schlug er zu. Mit dem Schwanz. Einmal nur, und dann ließ er das lächerliche Ding hinter sich.
    Kurz blickte er zurück – das Luftschiff trudelte durch die warme Luft und stürzte dem Uferwald entgegen. Erledigt. Sofort richtete er seine Sinne wieder auf sein Ziel und vergaß die Kanone, das Luftschiff und die drei schwarzen Gestalten darin.
    Sein Ziel? Er kannte es nicht; nicht in dem Sinne jedenfalls, wie andere Flieger oder Wanderer Namen und Koordinaten ihres Ziels kannten. Er wusste nur, dass es am Südwestufer des großen Sees lag. (Dort wartet einer deiner alten Herren auf dich, und du erhältst über deinen Stirnkristall weitere Instruktionen), echote die Botschaft, die er am Ufer des Flusses erhalten hatte, zwischen seinen Synapsen. Doch überbracht hatte sie ein Wesen aus Myriaden von Pilzfäden, das lediglich die äußere Form der Daa'muren imitierte. Konnte er ihm trauen?
    Um die Wahrheit zu ergründen, blieb ihm nur eine Wahl. Und je weiter er nach Westen vordrang, desto sicherer war er sich.
    Die Baumwipfel des Dschungels glitten unter Thgáan hinweg, er stieg wieder höher. Bald durchbrach er die Wolkendecke. Viel klarer war der Himmel hier oben, ein sonnendurchfluteter Sonnensaal. Er bewegte die Schwingen in regelmäßigem Rhythmus, immer weiter. Das Sonnenlicht brach sich in dem grünen Kristall, der aus seinem breiten, wulstigen Stirnschädel ragte. Dort, im Inneren des Kristalls, empfand er das unaussprechliche Wissen um das Ziel, um das Vertraute, das ihn rief. Seit Stunden schon spürte Thgáan sein Locken und Raunen.
    Tief unter sich, in den Wolkenlücken, riss die grüne Fläche des Waldes abrupt ab. Die Wasseroberfläche des Sees glitzerte wieder.
    Das Locken und Raunen in seinem Stirnschädel wurde stärker. Jemand formulierte Worte, eine vertraute Stimme. Thgáan ging tiefer, tauchte in die Wolken ein. (Komm), raunte jemand in seinem Hirn, (komm schnell.)
    Es war tatsächlich einer der Herren!
    Etwas wie Freude durchflutete seinen riesigen Körper, heiß und schön fühlte es sich an. Einer der Herren? Aber sie hatten den Planeten doch längst verlassen!
    (Komm zu mir, ich brauche dich!)
    Klar und deutlich stand der Befehl nun in seinem Hirn.
    Grao'sil'aana!
    Jetzt erkannte er den, der ihn rief. Grao'sil'aana! Der Sil, der den Pflanzenjungen betreute! Grao'sil'aana rief nach ihm! Grao'sil'aana brauchte ihn! Wenn er die mentalen Rufe des Sil empfangen konnte, dann musste Grao'sil'aana sich in Reichweite eines Kristallreifs aufhalten! Frohe Erwartung strömte durch den gigantischen Körper des Todesrochens.
    Er brach durch die Wolkendecke. Die Küstenlinie glitt unter ihm hinweg, jetzt flog er wieder über Wald und Buschland. Thgáan lauschte der Stimme in seinem Hirn – sie lockte ihn weiter und immer weiter.
    In Flugrichtung erspähte er auf einmal einen dunklen Punkt. Er schien zwischen Wolken und Wald in der Luft zu hängen. Er wurde zu einem Fleck, dann zu einem flachen Gebilde, über dem neun weitere Punkte schwebten. Sie wurden größer, wurden zu Ballons, und das Gebilde, das sie in der Luft hielten, schien ein riesiges
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher