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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet
Autoren: Michael Connelly
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war in meinem Zimmer, als du angerufen und geklopft hast. Ich habe nicht reagiert, weil ich dachte, er wäre es. Er muss dasselbe getan haben, denn es hat zweimal jemand angeklopft. Und das Telefon hat auch zweimal geläutet. Ich habe mich nicht gemeldet.«
    Ich nickte.
    »Ich bin nicht stolz auf diese Aktion«, sagte sie. »Zumal jetzt.«
    »Jeder Mensch hat irgendetwas, worauf er nicht stolz ist, Rachel. Doch es hindert ihn nicht daran, weiterzumachen. Zumindest sollte es dich nicht hindern.«
    Sie antwortete nicht.
    »Ich gehe jetzt, Rachel. Ich hoffe, für dich kommt alles wieder ins Lot. Und ich hoffe, dass du mich irgendwann einmal anrufst. Ich werde darauf warten.«
    »Leb wohl, Jack.«
    Ich zeichnete mit einem Finger den Umriss ihres Kinns nach. Für einen Augenblick trafen sich unsere Blicke. Dann verließ ich das Zimmer.
51
    Er kauerte in der Dunkelheit des Entwässerungskanals, ruhte sich aus und konzentrierte sein ganzes Denken auf die Beherrschung der Schmerzen. Er wusste, dass die Wunde infiziert war. Sie war nicht sonderlich gefährlich, ein glatter Durchschuss, der einen Muskel im Oberbauch zerrissen, aber sonst kaum weiteren Schaden angerichtet hatte. Aber sie war verschmutzt, und er spürte, wie das Gift begann, sich in seinem Körper auszubreiten. Es drängte ihn, sich hinzulegen und zu schlafen.
    Er ließ den Blick über die ganze Länge des Kanals schweifen. Nur ein schwaches Licht von irgendwo drang bis zu ihm herunter. Verlorenes Licht. Er schob sich an der schlüpfrigen Mauer hoch, bis er stand, dann setzte er sich wieder in Bewegung. Einen Tag, dachte er. Steh den ersten Tag durch, dann wirst du auch alle anderen überstehen. Ein Mantra, das er in Gedanken ständig wiederholte.
    In gewisser Hinsicht verspürte er Erleichterung. Trotz der Schmerzen und des Hungers große Erleichterung. Keine Mauer mehr. Keine Fassade. Keinen Backus. Jetzt gab es nur noch Eidolon. Und Eidolon würde triumphieren. Vor ihm waren sie nichts, und sie konnten nichts tun, um ihm Einhalt zu gebieten.
    »NICHTS!«
    Seine Stimme hallte den Kanal entlang in die Dunkelheit und verschwand. Er drückte eine Hand auf die Wunde und machte sich daran, ihrem Klang zu folgen.
52
    Im späten Frühjahr war ein Inspektor der städtischen Wasser- und Elektrizitätswerke auf der Suche nach dem Ursprung eines üblen Gestanks, über den sich Anwohner beklagt hatten. Er fand die Überreste des Leichnams in dem Kanal.
    Die Überreste eines Leichnams. Man entdeckte seine Papiere und seinen FBI-Ausweis, und auch die Kleidung war seine. Das, was davon übrig war, wurde auf einem Betonsims an einer Stelle gefunden, an der sich zwei unterirdische Abwasserkanäle kreuzten. Die Todesursache konnte wegen der fortgeschrittenen, durch die feuchte, stickige Atmosphäre im Kanal noch beschleunigte Verwesung nicht mehr festgestellt werden. Und auch das, was Tiere mit den Überresten angestellt hatten, machte exakte Autopsie-Ergebnisse unmöglich. Der Pathologe fand in dem verrotteten Fleisch etwas, das aussah wie ein Wundkanal und eine gebrochene Rippe, aber keine Geschossfragmente, die die Verletzung eindeutig mit Rachels Waffe in Verbindung hätten bringen können.
    Auch soweit eine Identifizierung möglich war, gab es keine eindeutigen Beweise. Das Abzeichen, der Ausweis und die Kleidung - aber sonst bewies nichts, dass dies tatsächlich die Überreste von Special Agent Robert Backus junior waren. Die Tiere, die über den Leichnam hergefallen waren - falls es tatsächlich Tiere gewesen waren -, hatten den kompletten Unterkiefer und eine Brücke im Oberkiefer verschleppt, was einen Vergleich mit zahnärztlichen Unterlagen unmöglich machte. Diese Ergebnisse schienen mir auffallend zweckdienlich zu sein. Und anderen auch.
    Brad Hazelton rief mich an und informierte mich darüber. Er sagte, das FBI würde den Fall offiziell abschließen, trotzdem würden einige Leute weiterhin nach ihm suchen. Inoffiziell. Er sagte, manche Leute hielten den Fund in dem Abwasserkanal nur für eine Tarnung. Möglicherweise handelte es sich um einen Obdachlosen, dem Backus da unten begegnet sei. Sie glaubten, dass Backus immer noch am Leben sei, und genau das glaubte ich auch.
    Außerdem berichtete Brad Hazelton, die offizielle Suche nach Backus sei zwar eingestellt worden, sie würden jedoch nach wie vor versuchen, seine psychologische Motivation zu ergründen. Aber es war äußerst schwierig. Agenten verbrachten mehrere Tage in seiner Eigentumswohnung in Quantico,
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