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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet
Autoren: Michael Connelly
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Ich gehörte zu dem Team. Während Rachel und Gordon die anderen Interviews führten, hatte ich ein kleines Privatgespräch mit William. Nach seinen Eröffnungen war es für mich nicht schwierig, Beltran zu identifizieren. Sobald Gladden wieder in Freiheit war, wartete ich darauf, dass er handelte. Ich wusste, dass er handeln würde. Es lag in seiner Natur. Darüber wusste ich Bescheid. Und so benutzte ich ihn. Ich wusste, falls mein Werk eines Tages entdeckt werden sollte, würden alle Beweise auf ihn hindeuten.«
    »Und das PTL Network?«
    »Wir reden zu viel, Jack. Ich habe noch zu tun.«
    Ohne den Blick von mir abzuwenden, bückte er sich, hob den Kissenbezug an und kippte seinen Inhalt auf den Boden. Dann tastete er in meinen Habseligkeiten herum, die Augen immer auf mich gerichtet. Erst in der Computertasche fand er das Röhrchen mit den Tabletten. Er las rasch das Etikett und schaute mich dann wieder lächelnd an.
    »Tylenol mit Kodein«, sagte er. »Das wird bestens funktionieren. Nehmen Sie eine, Jack. Das heißt, nehmen Sie gleich zwei.«
    Er warf mir das kleine Röhrchen zu, und ich fing es instinktiv auf.
    »Das geht nicht«, sagte ich. »Ich habe vor zwei Stunden erst eine genommen. Mit der Nächsten muss ich noch zwei Stunden warten.«
    »Nehmen Sie sie, Jack. Und zwar sofort.«
    Seine Stimme war ruhig geblieben, aber der Ausdruck in seinen Augen jagte mir Angst ein. Ich öffnete das Röhrchen umständlich.
    »Ich brauche Wasser.«
    »Nein, Jack. Nehmen Sie die Tabletten so.«
    Ich steckte zwei in meinen Mund und versuchte so zu tun, als hätte ich sie geschluckt, während ich sie unter meine Zunge schob.
    »Okay.«
    »Mund auf!«
    Ich öffnete den Mund, und er beugte sich etwas vor, um hineinzuschauen. Er kam jedoch nicht so nahe heran, dass ich nach der Waffe hätte greifen können.
    »Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, sie liegen unter Ihrer Zunge, Jack. Aber das macht nichts, weil sie sich auflösen werden. Es dauert nur ein bisschen länger. Ich habe ...«
    Es ertönte wieder ein knackendes Geräusch. Er sah sich um, richtete den Blick dann aber schnell wieder auf mich. »Ich habe Zeit genug.«
    »Sie haben die PTL-Dateien geschrieben. Sie sind das Eidolon.«
    »Ja, ich bin das Eidolon, besten Dank. Und um Ihre frühere Frage zu beantworten, ich habe durch Beltran von dem PTL Club erfahren. Er hatte sich an jenem Abend, als ich ihm meinen Besuch abstattete, freundlicherweise gerade eingeklinkt. Also nahm ich sozusagen seinen Platz im Netz ein. Ich benutzte seine Passwörter und ließ sie später vom Systemadministrator in Edgar und Perry ändern. Ich fürchte, Mr. Gomble weiß nicht, dass er einen ... Fuchs im Hühnerstall hatte, um Ihren Ausdruck zu gebrauchen.«
    Ich schaute in den Spiegel rechts von mir, sah die Reflexionen der Lichter im Valley. So viele Lichter, so viele Menschen, dachte ich, und niemand, der mich sehen oder mir helfen kann. Ich spürte, wie meine Angst immer größer wurde.
    »Entspannen Sie sich, Jack«, sagte Backus mit beruhigender Stimme. »Das ist wichtig. Spüren Sie das Kodein schon?«
    Die Tabletten hatten sich aufgelöst und erfüllten meinen Mund mit einem bitteren Geschmack.
    »Was wollen Sie mit mir tun?«
    »Das Gleiche, was ich mit allen anderen getan habe. Sie wollen über den Poeten Bescheid wissen? Sie werden alles erfahren, was es über ihn zu wissen gibt. Alles. Aus erster Hand, Jack. Sie sind nämlich der Erwählte. Erinnern Sie sich, was in dem Fax stand? Ich habe meine Wahl getroffen, ich habe ihn vor Augen. Das waren Sie, Jack. Von Anfang an.«
    »Backus, Sie verdammter Dreckskerl! Sie ...«
    Bei meinem Ausbruch schluckte ich die halb aufgelösten Tabletten unwillkürlich hinunter. Backus ahnte wohl, was passiert war. Er brach in Gelächter aus, hörte dann aber abrupt wieder auf. Er musterte mich, und ich entdeckte ein düsteres Licht in seinen starren Augen. Da erst begriff ich, wie wahnsinnig er war, und mir dämmerte, dass das, was ich für einen Teil der Irreführung durch Rachel gehalten hatte, in Wirklichkeit wohl eher zum Plan des Poeten gehörte. Die Kondome, die sexuellen Aspekte. All das konnte zu seinem Mordprogramm gehören. »Was haben Sie mit meinem Bruder gemacht?«
    »Das geht nur ihn und mich etwas an. Eine persönliche Angelegenheit.«
    »Sagen Sie es mir.«
    Er stieß den Atem aus.
    »Nichts, Jack. Nichts. Er war der Einzige, der bei dem Programm nicht mitmachen wollte. Er war mein einziger Misserfolg. Aber jetzt habe ich
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