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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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    Verehrt den einzigen König wie Aton,
    denn es gibt keinen anderen Großen als ihn.
    Er gibt euch die Lebenszeit in Freude.
     
    P harao Eje stand auf der Terrasse des Palastes, den Amenophis, der dritte Herrscher dieses Namens, am Westufer des Nils, jenseits von Waset, errichtet hatte, und der den Namen «Palast der leuchtenden Sonne» trug. Die knöchernen Hände des Greises ruhten unbeweglich auf der Brüstung vor ihm. Die goldenen Köpfe von Kobra und Geier an der Vorderseite des Stirnbandes, das er über dem blau und weiß gestreiften Kopftuch trug, der mit rotem Karneol und dunkelblauem Lapislazuli besetzte Schulterkragen, die schweren Goldreife an seinen dünnen Oberarmen offenbarten seine Macht, vor allem aber war es die Haltung seiner Hände, die dem alten Herrscher eine jedermann Ehrfurcht einflößende Würde verlieh. Er sah hinab auf die weite Ebene mit ihren Getreidefeldern, in deren goldgelbem Meer Tausende tiefroter Mohnblumen blühten, er sah auf den breiten und träge dahinfließenden Fluss, die Lebensader der Beiden Länder, und auf die mächtige Hauptstadt Oberägyptens, auf Waset. Doch er sah dies alles nur in seiner Erinnerung, denn die Kraft seiner Augen war in all den Jahren seines langen Lebens dahingeschwunden.
    Seit drei Tagen weilte Nacht-Min, der Sohn eines Arbeitersaus der Totenstadt, bei ihm und hörte ihm geduldig zu. Jetzt stand der Jüngling neben Pharao und sah wie jener schweigend hinab. Obwohl Eje den Sechzehnjährigen nie zuvor gesehen hatte und obwohl Nacht-Min zu den unbedeutendsten und ärmsten Untertanen im riesigen Reich Pharaos gehörte, hatte er sich für ihn entschieden.
    Ejes Wahl war auf den Jüngling gefallen, weil dieser nichts von der Welt wusste, da er in der Abgeschiedenheit der Berge in einer kleinen Siedlung, die kein Fremder betreten durfte, aufgewachsen war. Nacht-Min kannte nicht die große Stadt, er kannte keinen der prächtigen Paläste, und vor allem wusste er nichts von den Intrigen des Hofes. Eje hatte gehofft, auf ein offenes, auf ein gutes Herz gestoßen zu sein, als er sich im Totental entschloss, dem fremden Jüngling alles, was er bisher erlebt hatte, zu erzählen.
    Er erzählte ihm von Nimuria, dem Herrn der Beiden Länder, dem Herrn über alle Fremdvölker, dem Herrn der Welt, Amenophis Mer-chepesch, Herrscher von Waset, Pharao und Gott, der achtunddreißig Jahre über Ägypten geherrscht hatte.
    Von dem schönsten, reichsten und mächtigsten Land der Erde, das die Götter liebten und das Re jeden Tag aufs Neue mit seinem Glanz erfüllte, das von der Flussmündung im Norden bis weit in den Süden Nubiens, bis über die fünfte Stromschnelle hinaus reichte. Er erzählte ihm, dass die Völker Asiens Pharao untertan waren und seiner Majestät huldigten, dass die Könige und Fürsten befreundeter Länder ihre Töchter nach Ägypten schickten, wo sie als Nebenfrauen Pharaos im Palast von Merwer ein sorgloses Leben führten, auch wenn sie von seiner Majestät meist unbeachtet blieben. Er berichtete von den adligen Söhnen Mitannis, Babylons und Nubiens, die in den Palastschulen von Men-nefer und Waset von den besten Lehrern des Landes unterrichtet wurden, um später in ihrer Heimat als Freunde Ägyptens zu leben und zu arbeiten. Und er erwähnte, dass zu jener Zeit aus allen Fremdländern Rohstoffe, Handelswarenund Edelsteine an den Nil kamen, Holz aus dem Libanon und aus Nubien, aus dem Sinai Türkis und Lapislazuli, aus Knossos, Mykene und Ilias kunstvolle Töpferwaren und Weihrauch aus dem fernen Punt, und dass Pharao sie dafür mit dem Fleisch der Götter entlohnte, mit Gold.
     
    Pharao erhob die linke Hand und streckte sie Nacht-Min entgegen. Der Jüngling bot höflich und zuvorkommend den braun gebrannten rechten Arm, den die dünnen kalten Finger des alten Mannes dankbar umfassten. Während sie langsam und in kurzen Schritten in die Kühle des Palastes zurückkehrten, begann Eje zu sprechen.
    «Amenophis hatte in den Beiden Ländern, in Ober- und Unterägypten, prächtige Tempel errichtet, die an Schönheit und Reichtum durch kein Bauwerk anderer Völker übertroffen wurden. Sie glänzten von Gold und Elektron. Edelsteine aller Art und jeder Größe prangten an ihren Toren, und in ihren Hallen und Säulengängen standen Steinfiguren von Pharao und allen Göttern des Landes, wie sie anmutiger vorher nie geschaffen worden waren. Die Felder Ägyptens bescherten reiche Ernten, sodass die Kornkammern des Landes zum Bersten voll waren und niemand
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