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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme
Autoren: Federica de Cesco
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unter Tränen, Sona habe mit dem Baby Zuflucht im Heiligtum gesucht.
    Da fasste ich neuen Mut; noch war nicht jede Hoffnung zunichte. »Sei still!«, sagte ich. »Kleide mich an! Schnell.«
    Sie zog mir das weiße Gewand der Priesterinnen über, knotete mit zitternden Händen meine Schärpe. Ich verbarg meinen Dolch in den Stofffalten. Als ich aus dem Schlafgemach trat, taumelte mir Yeasu entgegen. Ein Speer hatte seine Hüfte durchbohrt. Sein Gesicht war schmerzentstellt, aber er hielt sich aufrecht. Ich gab ihm ein Zeichen. »Folgt mir!« Er wankte hinter mir her und rief seine Befehle mit heiserer Stimme.
    Die noch kampffähigen Männer formierten sich hinter ihm, während Dienerinnen sich um die Verletzten kümmerten. Die Regenwolken hatten sich verzogen. Durch die Fensterschlitze schimmerte der Himmel in rötlichem Weiß. Der Lärm unzähliger Stimmen drang aus dem Burghof, und ich dachte: Bald geht die Sonne auf!
    Vor der Tür des Heiligtums kniete ich nieder und meine Leibgarde nahm zu beiden Seiten Aufstellung. Leise schob ich die Tür auf. Im Weihrauchnebel glänzten matt die purpur lackierten Pfosten. Über dem Tragaltar aus Pappelholz spannte sich die »Shimenawa«, die »Schnur der Läuterung«, an die weiße Streifen geweihter Stoffe geknüpft waren. Zu beiden Seiten der Truhe, in der das Sternenschwert aufbewahrt wurde, knieten reglos Etsu und Hana. In ihren Gesichtern von durchscheinender Blässe funkelten die Augen wie Gemmen. Jede hatte vor den Knien ein kleines weißes Kissen, auf dem ein Stilett lag. Sie verneigten sich vor mir und ich erwiderte ihre Verneigung. Ein ersticktes Schluchzen brach die Stille; mit aufgelöstem Haar kniete Sona im Schatten einer Säule hinter dem Schrein. Sie presste zitternd das Kind an sich. Trotz ihrer Angst hatte sie klug und unerschrocken gehandelt.
    Ich sprach zu ihr: »Sorge gut für die Prinzessin und fürchte nichts. Meine Leibgarde wird dich schützen.«
    Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit den Priesterinnen zu. »Sollte es der Gottheit belieben, heute mein Leben zu nehmen, so befehle ich euch, die Erbin von Izumo im Dienst der Großen Erlauchten Kami Amaterasu zu erziehen, so wie auch ich im Namen der Allwissenden Macht unterwiesen wurde. Ferner bitte ich euch, für meine Zofe Maki zu sorgen. Sucht den Männern meiner Leibgarde gute Frauen aus und dankt ihnen in meinem Namen, dass sie mir treu gedient haben.«
    Beide verneigten sich ehrerbietig. »Darf ich Euch, Majestät, an unser Gelübde erinnern?«, fragte Etsu mit bleichen Lippen.
    Â»Es tut mir leid«, entgegnete ich kalt. »Sinnloser Tod findet nicht meine Billigung. Auch kann ich euer Leben noch nicht entbehren.«
    Sie saß aufrecht, den Kopf hoch erhoben, und undurchdringliche Ruhe lag auf ihrem Gesicht. Doch Hana, die Stirn neigend, sprach kaum hörbar: »Seid unbesorgt. Wir kennen unsere Pflicht.«
    Ich holte tief Atem. Dann schlug ich die Ärmel meines Gewandes zurück, beugte mich über die Truhe und löste die goldenen Schlösser. Behutsam hob ich den Deckel. Das Sternenschwert lag vor mir, in makellose Seide gehüllt. Ich wickelte die Klingen aus dem Stoff und vermied es, den Stahl zu berühren, damit nicht der kleinste Fingerabdruck seine Vollkommenheit störte. Im Morgenlicht glitzerten die Klingen wie mit Tau benetzt. Ich packte den silbernen Griff und nahm das Schwert aus der Truhe. Seine magische Ausstrahlung ließ mich erschauern und gab mir das Gefühl, als hielte ich etwas Lebendiges in den Händen.
    Ein letztes Mal verneigte ich mich vor dem Altarschrein. Dann glitt ich auf die Fersen zurück, erhob mich und trat über die Schwelle. Ich heftete meinen Blick auf Yeasu und sprach: »Hauptmann Yeasu, ich vertraue Ihre Hoheit, Prinzessin Saroji, Eurer besonderen Obhut an. Schützt sie, wie Ihr mich geschützt habt, und steht mit Eurem Leben für sie ein.«
    Schwankend, aschgrau im Gesicht, antwortete er voller Stolz: »Ich danke Euch, Majestät. Es ist mir eine große Ehre.«
    Er verneigte sich und ich verneigte mich auch. Dann ging ich durch die schweigenden Reihen hindurch und deutete Maki an, mir zu folgen. Ohne Leibgarde durchschritt ich die Gänge, stieg Treppen hinunter, kam durch Korridore und leere Hallen. Der Lärm der Menge im Burghof wurde immer stärker, er rauschte und brandete wie das Meer. Und als ich aus dem Tor
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