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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme
Autoren: Federica de Cesco
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hinter den Pfosten hervortrat, flutete eine Lichtwelle über den Himmel. Der erste Sonnenstrahl zuckte über den Festungsgürtel, spiegelte sich in den sieben blanken Klingen, ließ sie auflodern wie einen Flammenbusch. Langsam stieg ich die Stufen hinab; langsam durchschritt ich den Hof, während mein Schatten mit dem Schatten des Schwertes verschmolz, dunkel und scharf neben mir über den Boden glitt …

30
    D ie Strohdächer über den Wällen strahlten in gleißender, fast schwarzer Helle auf. Die Schilde und Speere der Wachen funkelten zwischen den Zinnen. Im Innenhof drängten sich die Krieger wie die Winterbienen, und Tausende starrten von den Mauern und Wehrgängen, von Stufen und Terrassen herab. Vor mir bildete die Menge eine feste Wand und schaute zur anderen Seite. Doch unbeirrt ging ich weiter und hielt das Schwert, wie man in der Schlacht ein Feldzeichen hochhebt. Da erhob sich ein Murmeln. Eine Bewegung ging durch die Reihen und vor mir tat sich eine Gasse auf. Ohne jemanden zu sehen oder ein Gesicht zu erkennen, schritt ich auf das eisenbeschlagene Holztor zu, an das der Herrscher von Izumo mit ausgebreiteten Armen genagelt worden war. Das helle Blut tropfte aus den durchlöcherten Händen und sickerte in den Sand. Sein staubverschmiertes Gesicht verzerrte sich schmerzvoll bei jedem Muskelzucken; doch mit verächtlicher Gelassenheit blickte er auf Iri, der im klirrenden Kettenpanzer, sein Schwert in der Hand, triumphierend vor dem Tor auf und ab schritt.
    Als sich der Kreis seiner Leibgarde vor mir öffnete, schaute Iri zu mir hin, und für einen Augenblick wurde sein hochmütiger Blick von Susanoo abgelenkt. Er verneigte sich voller Hohn und sprach: »Willkommen, Majestät! Ich habe Euch erwartet. Der Herrscher von Izumo, Euer hochverehrter Vater« - er spuckte die Worte geradezu aus -, »hat endlich nach meinem Köder geschnappt. Und kein Schwert dieser Erde kann ihn retten.«
    Ich schwieg; blickte in seine Richtung, durch ihn hindurch. Er hob geringschätzig auflachend die Schultern und wandte sich wieder seinem Gefangenen zu.
    Â»Eure Dreistigkeit wurde Euch dieses Mal zum Verhängnis. Nichts als Verdruss und Schande habt Ihr mir gebracht! Durch Niedertracht und Treulosigkeit versuchtet Ihr, mir die Macht streitig zu machen und mich an dem Einlösen meines heiligen Versprechens zu hindern. Ich schwor, Euch mit eigener Hand umzubringen, wenn ich Euch zu fassen bekäme, und Euren Kopf, auf einen Pfahl gespießt, am Festungstor dem Hohn der Menge preiszugeben. Nun, Majestät, was habt Ihr darauf zu erwidern?«
    Â»Ihr seid ein Narr«, erwiderte Susanoo mit gepresster, aber ruhiger Stimme. Er ließ den Blick nicht von Iri, auf dessen Oberlippe sich Schweißperlen bildeten.
    Â»Es ist unbedacht und nutzlos, seine Gefühle so offen zur Schau zu stellen. Glaubt Ihr wirklich, Izumo würde sich nach meinem Tod unterwerfen? Ihr würdet das Gegenteil erreichen: Die sieben Ostprovinzen würden sich erheben und über Euch herfallen. Meine Krieger würden Eure Festung so dicht belagern, dass Ihr nicht herausspucken könntet, ohne einen von ihnen zu treffen. Verrat und Meuchelmord sind wirksame Kriegslisten und darin seid Ihr so verschlagen wie drei fette Ratten zusammen. Aber die Göttin lässt sich nicht täuschen. Die Wahrheit tropft durch die Blätter und rinnt durch die Steine, und Menschen sind bereit, dafür zu sterben.«
    Â»Euer Herz versprach ich der Göttin!«, fauchte Iri. »Seht nur! Ihr Antlitz leuchtet schon über die Mauer!«
    Er riss sein Schwert aus der Scheide und hielt es der Sonne entgegen.
    Â»Ich bin der Stärkere!«, schrie er aus voller Kehle. »Ich bin immer der Stärkere gewesen!«
    Susanoo betrachtete ihn ungerührt. Er sah mit seinem langen, ins Gesicht fallenden Haar aus, als trüge er eine Maske mit starken Schatten, aus der die Augen scharf und spöttisch hervorglühten. Unerwartet lachte er auf. Das Lachen war kurz und seltsam, da der Schmerz ihn zugleich aufstöhnen ließ.
    Â»Ihr könnt mich in tausend Stücke hacken, Sujin, wenn Ihr Euch Genugtuung davon versprecht. Darüber hinaus jedoch werdet Ihr mit Eurer Seele keinen Frieden schließen.«
    Â»Wie meint Ihr das?« Iris Gesicht lief dunkelrot an.
    Â»Habt Ihr Euch jemals darüber Rechenschaft gegeben, warum Ihr mich hasst?« Susanoos Stimme klang völlig gelassen. Er sah
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