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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme
Autoren: Federica de Cesco
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erhob und ruhig und klar bis in die entferntesten Reihen tönte:
    Â»In zweimal tausend Jahren wird eine blaue Flamme über unsere Heimat fegen. Städte werden sich in Feuer auflösen, und das Land wird bedeckt sein mit den Körpern der Menschen und aller Arten von Tieren, und die Überlebenden, krank von dem Gifthauch der Luft, werden ihre Kindeskinder noch daran sterben sehen. So will ich ihnen jetzt das Schwert als Botschaft hinterlassen, auf dass im Zeitalter der blauen Flamme die Sternenkraft sie aus dem Dunkeln erlöse. Und die Erdgottheiten auf den Hohen Bergen und die Himmelsgottheiten in den niedrigen Wolken werden mit verschlungenen Händen mein Volk vor dem Untergang bewahren …«
    Er schwieg einen Atemzug lang, wie um der Menge Zeit zu lassen, sich die Zukunft vorzustellen, die seine Worte heraufbeschworen. Und dann, mit einem kräftigen Schwung, bohrte er das Schwert in den Sand. »So nehmt es entgegen! Ich brauche es nicht mehr!«
    Ein Seufzen, ein Stöhnen fast, stieg aus der Menge. Und alle, wie vom Blitz getroffen, warfen sich zu Boden, berührten mit der Stirn den Sand. Ich jedoch stand aufrecht neben dem König; sah, wie der Herrscher von Izumo sich abwandte und unbewaffnet, gelassen und stolz dem Tor entgegenschritt. Sein Schatten glitt über den Sand, schneller, immer schneller, wie die Schwingen eines Vogels … und plötzlich war nur noch das Sternenschwert sichtbar, im Sand funkelnd wie ein Gewächs aus Stahl und Licht, in dem die Kraft der Sterne lebte …
    Da blickte ich in Iris Gesicht und sah die Furcht in seinen Augen flackern. Und langsam und unnachsichtig sprach ich: »Zweitausend Jahre lang werden Herrscher wie Ihr die Menschen knechten und ausbeuten, in Unglück und Tod stürzen. Zweitausend Jahre lang werden sie im Namen der Gottheit die Erde plündern und verwüsten, weil sie nach Macht dürsten und sich vor sich selbst fürchten. Aber die Macht ist nichts ohne das Wissen und die Erkenntnis. Und einst, in tausend Menschenaltern, wird diese Schreckensherrschaft sich auflösen wie Rauch im Wind. Sie wird jener Höheren Macht zufallen, die den Tod in Leben verwandelt … Euer Ruhm aber, der Euch so teuer ist, wird verschüttet werden von der Erde. Euer Name wird in Vergessenheit geraten und Eure Taten einem anderen König zugeschrieben werden …«
    Â»Schweigt«, zischte Iri mit bleichen Lippen. »Schweigt und begebt Euch in Eure Gemächer!«
    Sein Gesicht verschwamm vor meinen Augen, wurde zu Asche, zu Staub, zu einem Nichts. Nur noch das Schwert leuchtete vor dem dunklen Tor, hell und rein wie der Baum der Erkenntnis, der aus dem Herzen des Erdensterns wächst …
    Da lächelte ich furchtlos, verneigte mich und ging. Ich hatte das Licht der Hohen Wahrheit erblickt, die Strahlenkrone der Ewigkeit.

31
    F limmernde Hitze staute sich im Wald; die Luft regte sich kaum unter den schattigen Bäumen. Das dunkle Blau des Meeres schimmerte durch das Laub. Die Flut war im Kommen, lange Schaumkronen wuchsen vom Riff herüber. Langsam hob und senkte sich das Wasser zwischen den Klippen.
    Zwei Menschen - ein kleines Mädchen und eine Frau - wanderten den Waldrand entlang.
    Das kleine Mädchen trug knielange Hosen aus rotem Leinenstoff und bunt bestickte Beinschützer. Zwei Lederarmbänder, an denen purpurne Steine in Form von Bärenkrallen hingen, waren um ihre zarten Handgelenke geschlungen. Ihre Haut war hell und klar wie Gold. Ihr Haar fiel in ungestümen, federnden Locken auf die nackten Schultern; ein rötlicher Schimmer glomm auf dem Schwarz. Sie hielt einen Bambusbogen in der Hand, ein kleiner Pfeilköcher baumelte an ihrer Seite. Die Frau - offenbar eine Dienerin - hatte ein breites, kluges Gesicht. Sie trug die dunkelblaue Tracht der Küstenbewohner. Ein weißes Tuch war um ihr rabenschwarzes Haar geschlungen. Lachend wischte sie sich den Schweiß von der Stirn, während das Mädchen behände über Steinbrocken und tote Baumstämme kletterte. Doch plötzlich verflog ihr Lachen: Ihre Augen richteten sich schreckerfüllt auf eine Stelle im Gebüsch, die sich geheimnisvoll und drohend bewegte. Ein Zweig wippte auf und nieder, das Unterholz krachte. Eine schwere Masse regte sich im Halbdunkel. Und jetzt erschien, halb verborgen durch ein Gewirr von Ranken, Blättern und zertretenen Halmen, ein mächtiges, zottiges Ungetüm. Es war ein Schwarzbär,
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