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Im Niemandsland

Im Niemandsland

Titel: Im Niemandsland
Autoren: Hans Kneifel
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nicht mehr überrascht. Mit einem ähnlichen Überfall hatte er gerechnet, seit das erste Seil gerissen war. Er duckte sich tief ins Wasser, schluckte und fühlte den Schlag fast wirkungslos tief im Rücken. Aber unter Wasser merkte er, wie Arruf nach dem Bündel der Satteltaschen griff und wie der falsche Freund versuchte, mit der Klinge den Riemen zu durchtrennen.
    Der Helm der Gerechten sollte nicht seine Beute werden!
    Mythor warf sich hin und her, riss die Beine an den Körper und trat wild um sich. Einmal traf er und merkte, wie er den Körper Arrufs weit von sich stieß. Er tauchte auf und schnappte gurgelnd nach Luft. Es gelang ihm, einige Schwimmstöße zu machen, und während die Gestalten am Ufer zusammenliefen, rutschten seine Sohlen auf den glatten Flusskieseln aus.
    »Eines Tages, eines fernen Tages.«, keuchte Mythor, bückte sich und packte einen Kiesel. Er riss ihn hoch und schleuderte ihn nach Arruf.
    »…treffe ich dich wieder.«
    Der Stein streifte die Holzkeule Arrufs, der eben aus dem Wasser auftauchte, und traf schwer die Schulter des Mannes. Mit einem ächzenden Laut wurde der andere zurück ins Wasser geschleudert und schwamm mit der Strömung.
    »…und dann rechne ich mit dir ab, mein braunäugiger Freund und Meisterlügner!« sagte Mythor voller Grimm. »Warte nur!«
    Während Mythor halb schwimmend, halb watend auf das Ufer zustrebte und den heranrennenden Gestalten auswich, wandte sich Arruf ab und schwamm schräg zum anderen Ufer der Lorana. Nach einigen Schwimmstößen verschwand er aus dem vagen Licht der Feuer und Fackeln.
    Mythors Sohlen berührten festen Grund. Er rannte sofort los. Er befand sich auf dem nördlichen Ufer; nicht weit entfernt weiter flussaufwärts lag die Mühle. Einige Pfeile heulten durch die Dunkelheit und verfehlten ihn. Sie schlugen mit kurzem Klatschen ins Wasser. Er rannte keuchend und frierend um sein Leben.
    Die meisten Arbeitssklaven der Caer liefen auf die Stelle zu, an der sich das Mammut drehte und gegen die langen Taue kämpfte.
    Mythor huschte aus dem Licht hinaus und sprang auf das feste Ufer. Er versuchte, etwas vor sich deutlicher zu erkennen. Seine Kleidung troff, trotzdem fror er noch nicht, denn er bewegte sich schnell. Die Caer hinter ihm schrien und fluchten. Peitschen knallten, und immer wieder stieß das Mammut seine fürchterlichen Schreie aus. Die anderen Zugtiere am Uferdamm antworteten und gebärdeten sich wie rasend, denn in Mythors Ohren ertönte ein andauerndes Bersten und Krachen.
    Einige Zeit später kletterte Mythor rutschend den Hang aufwärts und lehnte sich keuchend und fröstelnd an einen Baumstamm.
    Die Caer hatten nicht genau erkannt, wie es zu dem folgenschweren Zwischenfall gekommen war. Die Pfeile hatten ihm gegolten, aber er war nicht als Urheber des kenternden Floßes angesehen worden.
    Er sah sich um. Er hatte es geschafft, die Yarl-Linie zu überschreiten. Der breite Geländeeinschnitt war dort, wo die Feuer brannten und die Langsteine entladen wurden. Der durchnässte, frierende Kundschafter setzte sich wieder in Bewegung und hoffte, bald das Rauschen des Baches und das mahlende Dauergeräusch der drei Mühlräder hören zu können.
    Während Mythor flussaufwärts hastete und zu seiner Erleichterung das Lärmen hinter sich undeutlicher und schwächer wurde, vergingen die letzten Stunden der Nacht. Dicke Nebelschwaden stiegen vom Fluss und aus den Wäldern auf. Nur die Trompetenschreie der Mammuts hallten durch das Flusstal .
    Schemenhaft tauchten vor Mythor die schwarzen Äste der kahlen Bäume auf, die den Bachlauf säumten. Ein Gatter lag zerbrochen am Boden. Überall waren Hufspuren sichtbar. Mythor schob sich seitwärts in die Deckung der Büsche, aber voller Erleichterung sah er, dass der Nebel sich verdichtete. Langsam ging er weiter, die schweren Satteltaschen und die Decken über den Schultern. Aus dem Mantel und dem anderen Stoff liefen noch immer dünne Wasserfäden.
    Wieder packten Unsicherheit und Verzweiflung den jungen Mann. Es war fast zu viel, was auf ihn eindrang. Jetzt war es die Sorge um seinen wertvollen Besitz: die drei Tiere. Vorübergehend musste er das Hochmoor und die kommende Schlacht der gigantischen Heere vergessen.
    Behutsam pirschte weiter auf den Bachlauf zu. »Einhornreiter ohne Einhorn!« murmelte er.
    Der Nebel verschluckte das erste Tageslicht und jedes Geräusch. Fast jedes Geräusch, denn nach einer kurzen Wanderung hörte er tatsächlich das Knarren der Räder und das Rauschen
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