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Im Niemandsland

Im Niemandsland

Titel: Im Niemandsland
Autoren: Hans Kneifel
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des Wassers. Die Laute sagten ihm, dass die Mühle nicht zerstört war. Aber die vielen Spuren schienen zu beweisen, dass er auch hier plötzlich vor einer Caer-Wache stehen mochte.
    Er blieb stehen und zog bedächtig sein Schwert.
    Im Gebüsch, das halb in dem gespenstisch treibenden Nebel verborgen war, gab es knackende Geräusche. Plötzlich ein heiseres Knurren, dann ein jaulender, bellender Laut. Ein schlanker Körper schoss wie ein grauweißes, großes Etwas auf Mythor zu und sprang ihn mit gefletschten Zähnen und angelegten Ohren an.
    »Hark!« Mythor schrie es fast.
    Der Bitterwolf drehte sich mitten im Angriffssprung und landete mit den Vorderpfoten an Mythors Brust. Er heulte leise vor Freude auf und fing an, Mythor wie rasend mit der langen Zunge zu lecken. Mythor tätschelte den Wolf, griff in das dicke Nackenfell und schüttelte das hechelnde Raubtier hin und her. Spielerisch schnappte Hark nach Mythors Fingern und gebärdete sich wie verrückt.
    »Ist schon gut, mein Freund«, murmelte Mythor. »Du siehst gut aus. Keine Wunden, glattes Fell. Hoffentlich geht es den anderen beiden auch gut?«
    Der Wolf schmiegte sich an Mythors Knie, lief zwischen seinen Beinen hindurch und umsprang den Kundschafter. Dann blieb er stehen, riss den schlanken Kopf in die Höhe und stieß ein leises, langgezogenes Knurren aus. Es war ein Laut der Warnung; seine Körperhaltung besagte genau dasselbe.
    Mythor kauerte sich, ohne das Schwert loszulassen, zu Boden und vollführte einige Gesten. Er wusste, dass der Wolf die Handbewegungen und die Körperhaltung einigermaßen verstand. Das Tier funkelte ihn aus den hellen Raubtieraugen an und grollte tief in der Kehle.
    »Also los!« sagte Mythor knapp. »Hilf mir!«
    Hark senkte den Schädel, warf sich herum und sprang in langgestreckten Sätzen davon. Der Nebel verschluckte ihn. Mythor hielt das Schwert quer vor sich und lief hinterher. Er lauschte aufmerksam, aber er hörte keine verdächtigen Geräusche.
    Plötzlich stand er am Rand des Baches. Auch hier war der feuchte Boden von Hufspuren und Fußabdrücken aufgewühlt. Mythor wandte sich nach rechts und ging dem Rauschen und Knarren der Wasserräder nach. Vor ihm erscholl ein lautes Wiehern.
    Nach einigen Schritten schob sich ein schwarzer, feuchter Körper aus dem Nebel hervor. Kaum hatte Pandor seinen Herrn gesehen, sprang er im Galopp auf ihn zu und hob den Schädel, um mit dem langen Horn Mythor nicht zu verletzen.
    »Pandor!« rief Mythor. »Verdammt! An deinem Horn.«
    Der schwarze Einhornhengst stemmte dicht vor Mythor die Vorderhufe in den Boden und stieg dann plötzlich hoch. Wieder wieherte Pandor. Sein Schweif peitschte die klamme Luft, seine Mähne schwang hin und her. Mythor senkte das Schwert und legte seinen Arm um den Hals des Tieres.
    Das weiße Horn, das aus Pandors Pferdeschädel hervorwuchs, war voller Blutspritzer. Die Spitze sah aus, als habe man sie in Blut getaucht.
    »Es hat also hier Kämpfe gegeben!« murmelte Mythor, und seine Beklemmung wuchs. Schnell untersuchte er den Körper seines Reittieres und warf, als er weder einen Riss noch eine Wunde sehen konnte, die Satteltaschen hinter der Mähne über den Hals des Tieres.
    »Auch dich hat Vercin gut versorgt!« sagte er voller Staunen. »Wie Hark. Du stehst gut im Futter, Pandor!«
    Wahrscheinlich hatte die junge Lorana das Fell gebürstet und das Tier wie Hark gut gefüttert. Aber die Blutspuren deuteten darauf hin, dass die Arche mitsamt ihren rätselhaften Figuren Schauplatz einer Auseinandersetzung gewesen war. Mythor lief neben Pandor her, den linken Arm über dem Hals des Rappen.
    Der breite Pfad führte direkt auf die Stelle zu, an der der Bach in die Lorana mündete. Ringsum herrschte, abgesehen von den dauernden Geräuschen der Räder und dem Knirschen, Klappern und Klirren aus dem Inneren der Mühle, äußerste Ruhe.
    »Das alles ist sehr rätselhaft und behagt mir keineswegs«, sagte sich Mythor und versuchte, mit seinen Blicken den dichten Nebel zu durchdringen. »Horus fehlt mir, aber er wird sich wohl bald einstellen.«
    Caer! Überall waren Caer. Er vermutete sie auch hier. Als er weiter auf dem bekannten Pfad auf die seltsame Mühle des Mautners zuschritt, schob ein erster Wind der Morgendämmerung die Nebelschwaden zur Seite. Mehr Bäume, Äste und Sträucher tauchten aus dem diffusen Nebel auf. Über Mythor war plötzlich ein anderes, aber ebenso vertrautes Geräusch: das Schwirren von Flügeln und ein scharfer, krächzender
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