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Im Niemandsland

Im Niemandsland

Titel: Im Niemandsland
Autoren: Hans Kneifel
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zwischen den Ufern teilweise noch aus. Ein Mammut schrie aus der Richtung des Yarl-Pfades. Schauerlich hallte das Echo zwischen den Uferhängen. Im ersten Blau des neuen Tages zog der Schneefalke ruhig seine Kreise und flatterte ab und zu in einem warmen Höhenstrom der Luft. Ein letzter Stern funkelte am Himmel.
    Ein Stern?
    Mythor wurde abgelenkt. Er band gerade die Riemen seiner Satteltaschen, in denen sich der Helm der Gerechten befand, um Pandors Hals und wollte sich auf den Rücken des Einhorns schwingen.
    Im selben Moment kam Lorana aus dem Eingang und rief klagend: »Mythor! Vercin will nicht mit mir kommen!«
    »Verdammt«, murmelte der Kundschafter und rief, etwas lauter: »Ich komme und hole ihn!«
    »Ja. Ich warte!«
    Der Stern blinkte lebhaft und grell, ehe er unsichtbar wurde. Am nächsten Tag war Wintersonnenwende. Er würde Graf Corian nicht mehr verständigen können. Nur ein Wunder vermochte ihm zu helfen. Er lief auf den Eingang zur Mühle zu und blieb auf halbem Weg stehen.
    Der Stern blinkte plötzlich nicht mehr! Er wurde größer und größer und schien direkt auf Mythor zuzufallen.
    »Undenkbar!« stöhnte der Sohn des Kometen auf, aber gleichzeitig scheute Pandor. Hark gebärdete sich wie rasend, sprang auf das Einhorn zu und zerrte das kräftige Tier, indem er es in die Vorderläufe biss und es, ohne es zu verletzen, mit sich zog, von der Mühle weg.
    Der Stern wurde größer, heller, dehnte sich aus, strahlte auf, und er zielte noch immer auf Mythor. Verwirrt schüttelte dieser den Kopf. »Lorana!« schrie er aus Leibeskräften. »Komm heraus! Wo ist Vercin?«
    Aus dem gleißenden Stern wurde eine kleine Sonne. Hinter der Lichterscheinung zeigte sich im dunstigen Blau des Morgenhimmels ein langer Streifen blendender Helligkeit. Es war kein Stern. Der Punkt wurde größer und größer. Vor ihm bildete sich ein hellrotes Glühen.
    Hark stieß ein schauriges Geheul aus und floh, die Rute zwischen die Hinterbeine geklemmt, bachaufwärts.
    Pandor wieherte, keilte aus und peitschte mit seinem prächtigen Schweif. Er bäumte sich auf und überschlug sich fast. Dann berührten seine Vorderhufe wieder den Boden. Das Tier warf sich herum und galoppierte in panischer Furcht in dieselbe Richtung, in die sich Hark geflüchtet hatte. Mythor rannte fünf Schritte weit auf die Mühlenarche zu und erstarrte, als er wieder nach oben blickte.
    Der Stern war riesengroß geworden. Vor ihm schien das Firmament zu brennen. Hinter ihm zeichnete sich ein gewaltiger Schweif aus kalkweißem Licht ab. Es war rundum totenstill geworden.
    Ein Stern fiel aus dem Himmel direkt auf Mythor zu.
    Knarrend bewegten sich die Mühlräder. Lorana erschien am oberen Ende der Treppe. Sie zog und zerrte den, alten blinden Mann hinter sich her. Vercin wehrte sich und versuchte, sich an Griffen und Geländern festzuklammern. Er sagte nichts, aber das Stöhnen und Ächzen des Mädchens drang bis an Mythors Ohren.
    Mythor gebärdete sich plötzlich, als wisse er nicht aus noch ein. Ein Instinkt warnte ihn. Er wusste nicht, was er tat. Er warf sich herum, rannte auf Pandor zu und riss die Schnallen der Satteltasche auf. Mit einem Fluch schleuderte er den Caer-Helm, nachdem er sich ihn vom Kopf gerissen hatte, weit zur Seite. Mit zitternden Fingern setzte er den Helm der Gerechten auf und hob wieder den Kopf.
    Heulen, Kreischen und Jaulen erfüllten die Luft. Der Stern war zu einem glühenden Etwas geworden, so hell, dass Mythor zwinkerte und blinzeln musste. Mit einem Geräusch, das unbeschreiblich war, traf die winzige Sonne - ein Stein aus dem Himmel, dessen Erscheinen Wahnsinn und Furcht verbreitete - die Mühle.
    Ein kreischendes Pfeifen ertönte und brach ab. Mitten darin gab es ein ohrenbetäubendes Krachen, das lauter als hundert Donnerschläge war. Die Mühle wurde von der grellen Helligkeit getroffen und zersprang in Tausende und aber Tausende einzelner Teile, die in der Luft zu brennen begannen. Mythor fühlte, wie ihn eine wilde Kraft von den Beinen riss, in die Luft warf, umherwirbelte und dicht neben Pandor durch das Gebüsch schleuderte, dessen Ranken und Zweige seinen Fall dämpften. In seinen Ohren klirrte, pfiff und klingelte es. Dort, wo die Mühle eben noch gestanden hatte, war ein Krater. Alles brannte. Teile der drei Wasserräder wurden nach allen Seiten geschleudert. Ein ungeheuerliches Krachen ertönte, als die Helligkeit aufhörte, als die Brände ausbrachen, als riesige Fontänen aus Steinen, Wasser, Erde und
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