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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand
Autoren: Gisa Pauly
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    Immer wieder blickte sie sich um.
Gab es jemanden, der ihr nachsah? Jemanden, der sich später daran erinnern
würde, in welche Richtung sie gegangen war? Jemanden, der bemerkt hatte, dass
die Sporttasche, die sie bei sich trug, schwer gewesen war? Vielleicht würde am
nächsten Tag auch jemand sagen, man habe ihr angesehen, dass sie etwas
Außergewöhnliches vorhatte, dass sie etwas plante, was ihr niemand zugetraut
hätte. Und es habe ja niemand ahnen können, was dabei herauskommen würde!
    Als sich ein Wagen langsam von hinten näherte,
war sie versucht, sich erneut umzublicken. Aber als sie hörte, dass der Fahrer
das Gas wegnahm, wusste sie, dass es nicht nötig war. Es war so weit! Nun
konnte nichts mehr dazwischenkommen. Plötzlich spielte es keine Rolle mehr, ob jemand
sie beobachtete, der später eine Aussage machen würde.
    Der Wagen kam neben ihr zum Stehen, sie sah einen
Unterarm, der die Beifahrertür aufstieß. Die Sporttasche wäre im Kofferraum
oder auf dem Rücksitz besser aufgehoben gewesen, aber sie wollte keine Zeit
verlieren, warf die Tasche in den Fußraum und ließ sich auf den Sitz fallen.
Als der Wagen anfuhr, zwängte sie die Füße neben die Tasche. Es war ja nicht
weit. Der Weg von einem Leben ins andere konnte so kurz sein! Dass sie bequem
saß, darauf kam es nicht an. Wichtig war nur, dass jetzt nichts mehr
dazwischenkommen konnte.
    Eine halbe Stunde später nahm sie Abschied von
Sylt. Ein Abschied für immer! Noch glaubte sie, dass es in ihrer eigenen Macht
stand, zu gehen und niemals zurückzukehren. Sie genoss ein letztes Mal den
Blick übers Meer und vertraute darauf, dass sie irgendwann noch einmal auf dem
Kamm dieser Düne stehen könnte, wenn sie den Mut dazu finden würde. Irgendwann!
Trotzdem nannte sie diesen Abschied endgültig und betrachtete alles, als sähe
sie es zum letzten Mal. Die gewaltige Dünenlandschaft, die jeden Menschen, der
sie durchwanderte, ganz klein machte, die Möwe, die sich mit ausgebreiteten
Schwingen auf den Wind legte und zu ihr herabschrie, die schneeweiße Gischt,
die weit draußen ein Spiel begann, das erst in der Brandung, wenn sie sich auf
den Strand warf, Ernst wurde, den Strand, der kein Anfang und kein Ende hatte
und von einer Schönheit war, die sogar den hohen Betonwürfeln Westerlands ihre
Hässlichkeit nahm. Den Geruch des Meeres und den Geschmack des Windes nahm sie
tief in sich auf, weil sie entschieden hatte, dass es das letzte Mal war.
    Dass doch nicht alles wie geplant gelaufen war,
bekam sie nicht mehr mit. Der Schlag auf den Hinterkopf traf sie vollkommen
unerwartet. Gewaltig war er, so gewaltig, dass sie ohne einen einzigen Laut
vornüber in den Sand fiel. Eine Blutspur sickerte ins Dünengras, doch noch
bevor das Blut seinen Glanz und seine Farbe verlor, warf jemand Sand darüber,
viel Sand, sodass bald nichts mehr übrig war als ein rostroter Schimmer, den
der Wind so lange bleichen würde, bis er nicht mehr zu sehen war.

 
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    Carlotta Capella schwebte über
einen roten Teppich. Nun ja, richtig rot war er nicht, eher bockwurstbraun, und
ein wirklicher Teppich war es auch nicht, sondern ein robuster Sisalläufer.
Aber darauf kam es nicht an. Sie schwebte, so viel stand fest! Anders konnte
man es nicht nennen, wenn sie sich nicht wie sonst mit hurtigen, energischen
Schritten fortbewegte, sondern sehr überlegt und unglaublich graziös ein Bein
vors andere setzte und dabei eine Miene zog, als wäre das Leben eine Losbude
voller Hauptgewinne.
    Ihre sieben Kinder hätten sich bei ihrem Anblick halb totgelacht,
aber Mamma Carlotta hatte Glück: Sie befand sich in der Gesellschaft von
Menschen, die diese Sache ernst nahmen. Und ihre Enkeltochter Carolin, die
sonst erwartete, dass ihre Großmutter sich großmütterlich verhielt, und alles
andere schrecklich peinlich fand, hielt sich mit Spott tunlichst zurück. Denn
sie war sich keineswegs sicher, dass sie die gebotene Aufgabe besser meistern
würde als ihre Nonna.
    Â»Jetzt stehen bleiben! Rechte Hand in die Taille! Rechte Hüfte nach
vorn! Über die rechte Schulter blicken! Bon! Très bien! Und wieder retour!«
    Mamma Carlotta fühlte sich großartig, während sie zum Anfang des
Läufers zurückschritt. Sie fragte sich sogar, ob sie ihr bisheriges Leben
fernab ihrer eigentlichen Bestimmung verbracht hatte.
    Â»Sie
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