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Im Niemandsland

Im Niemandsland

Titel: Im Niemandsland
Autoren: Hans Kneifel
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brennendem Holz in den Himmel wuchsen. Die Räder der Welt standen nicht nur still, sondern sie waren zertrümmert und zermahlen worden.
    Mythor kam, halb taub und mit blutender Nase, wieder auf die Beine. Er sah, dass Vercin von einer zerfetzten Astgabel, in die ihn der Luftdruck geschleudert hatte, aufgespießt worden war. Der blinde Greis war tot. Sein Lebenswerk war vernichtet. Mythor vermochte keinen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Eine Aura des Wahnsinns schlug ihm zugleich mit der Hitze von fünfhundert Feuern entgegen. Das riesige trichterförmige Loch im Ufer, das sich mit verdampfendem Wasser zu füllen begann, war für ihn ein Symbol für den kommenden Untergang.
    Alle die brennenden Bretter und Sparren, Balken und Schindeln, die Reste der Figuren und der Zahnräder, die Sträucher und einige Bäume - ihre Flammen verbanden sich zu einer heulenden und kreiselnden Zunge aus Feuer und Rauch, die sich in den Himmel drehte.
    Der Kundschafter handelte, ohne zu empfinden und ohne zu denken. Er kämpfte sich gegen den feurigen Sturm vorwärts und fand nach zwanzig tastenden Schritten den regungslosen Körper von Lorana, der ebenso wie seiner in einen federnden Busch geschleudert worden war.
    Mythor glaubte, dass ihn der Helm der Gerechten schützte, als er die Wellen des Irrsinns und der Verzweiflung vage spürte, die sich ausbreiteten. Schwarze Magie! dachte er, schob seine Arme unter Loranas Körper und hob ihn auf. Er lief zu Pandor zurück.
    Der Kometensohn warf den regungslosen Körper über seine Satteltaschen und kletterte auf den Rücken Pandors. Er musste fort von hier. Als habe Pandor seine Gedanken gespürt, verfiel das Einhorn in einen schnellen Galopp und sprengte von der Stelle fort, an der ein fallender Himmelsstein die Mühle zerstört hatte. Hark lief neben Pandor nach Norden. Mythor warf einen Blick über die Schulter und begann sich zu wundern: Trotz der Flammen und der Hitze, die aus dem Krater strömten, begann er zu frieren. Aus seinem Mund, aus den Nüstern Pandors und dem Rachen des Bitterwolfs fauchten plötzlich weiße Dampfwolken. Es war eisig kalt geworden.
    Vercin war von dem fallenden Sonnenstein getötet worden. Seine »Räder der Welt« gab es nicht mehr. Lorana war ohne Bewusstsein. Mythor floh mit dem Instinkt eines verwirrten Tieres in die Richtung zu Corians Hauptquartier. Obwohl Pandor wie rasend galoppierte, ließen die Wellen des Schmerzes und des Irrsinns nicht nach.
    Die Lichtwelt stirbt, wenn die Räder stillstehen, hatte Vercin immer wieder gesagt. Jetzt standen die Räder still; es gab sie nicht mehr. Hörte die Lichtwelt zu existieren auf?
    In eisiger Kälte, die von Herzschlag zu Herzschlag bitterer und beißender wurde, ritten Lorana und Mythor nach Norden. Hark rannte hechelnd neben ihnen, und über dem Einhornreiter flatterte der Schneefalke. Mythors Absicht war, Graf Corian zu erreichen und mit seinem Wissen die Lichtwelt zu retten. Jetzt ahnte er nicht einmal, ob es ihm gelingen konnte. Er wusste nur, dass er dem Zentrum der Flammen, der Hitze und des Wahnsinns entkommen musste. Sein Ritt führte über bekanntes Land und durch beißende Kälte. Der Irrsinn saß in seinem Nacken. Und aus dem Morgenhimmel fielen die ersten Schneeflocken. Später verwandelten sie sich in kleine, nadelscharfe Hagelkörner.







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