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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel
Autoren: Monika Feth
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Kapitel 1
    Schmuddelbuch, Montag, 10. November
     Gestern wurde aus dem Fühlinger See die Leiche eines zweiundzwanzigjährigen Mannes geborgen. Die Polizei geht von einem Fremdverschulden aus, machte aber, um die Ermittlungen nicht zu gefährden, keine weiteren Angaben. Dies wäre seit Mai bereits das vierte Gewaltverbrechen mit Todesfolge in Köln. Einen Zusammenhang der Todesfälle schließt die Polizei nach dem derzeitigen Kenntnisstand jedoch aus. (Kölner Anzeiger)
       »Warum nicht, Greg?«
    »Dafür gibt es tausend Gründe, Schätzchen.«
    »Nenn mir drei!«
    »Also gut. Erstens: Ich will nicht. Zweitens: Ich will nicht. Drittens: Ich will nicht. Und jetzt lass mich arbeiten.«
    »Das ist nicht fair, Greg!«
    Gregory Chaucer stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und vergrub die Finger im Haar. Dann hob er den Kopf und bedachte Romy mit einem milden Blick. »Seit wann, Mädchen, ist das Leben fair?«
    »Ich weiß, dass ich recht habe, Greg.«
    »Das ist ja das Schlimme. Du hast meistens recht.«
    »Also gibst du mir grünes Licht?«
    »Nein!« Gregory Chaucer beugte sich vor und griff nach dem Telefon. »Sonst noch was?«
    Er konnte das gut, jemanden, der ihm auf die Nerven fiel, mit beleidigender Beiläufigkeit abservieren, und Romy hatte das schon oft am eigenen Leib zu spüren bekommen. Er guckte einen dann stur über den Rand seiner Lesebrille hinweg an, wobei sich seine Stirn in angestrengte Falten legte, was seinem Gesicht einen gleichermaßen erstaunten wie abwartenden Ausdruck verlieh. Diesmal, hatte Romy sich vorgenommen, würde sie sich davon nicht beeindrucken lassen.
    »Und wenn ich dir verspreche, vorsichtig zu sein?«
    »Das versprichst du mir doch dauernd.«
    »Bitte, Greg. Du weißt, dass du dich auf meine Nase verlassen kannst.« Sie rührte sich nicht von der Stelle. »Vier Tote in einem halben Jahr, Greg. Du willst mir doch nicht erzählen, dass nichts dahintersteckt?«
    »Ich will dir gar nichts erzählen, Romy. Ich will meine Ruhe haben, nichts weiter. Renitente Volontärinnen sind das Letzte, was ich im Augenblick brauche.«
    »Renitent? Das kränkt mich jetzt aber wirklich, Greg.«
    Gregory Chaucer stöhnte auf.
    »Setz dich, Romy.«
    Er hatte den Satz noch nicht ausgesprochen, als Romy schon auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch saß und ihn mit großen Augen anschaute.
    »Also. Noch einmal. Was hast du vor?«
    »Bloß ein bisschen herumstochern, Greg. Vier Tote! Das könnte die Geschichte meines Lebens werden.«
    »Die Geschichte deines Lebens …« Gregory Chaucer konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Wie alt bist du? Fünfzig?«
    Romy beschloss, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. »Gerade achtzehn geworden. Aber du hast mir immer gesagt, dass man zugreifen muss, wenn man eine Geschichte vor sich hat.«
    »Wenn.«
    »Das ist eine Geschichte, Greg. Ich hab das im Gefühl.«
    Gregory Chaucer hatte Romy schon oft gepredigt, ein Journalist ohne den richtigen Riecher sei keinen Pfifferling wert. Genau da versuchte Romy ihn zu packen.
    »Es geht um Mord, Romy, das ist ein verdammt heißes Eisen …«
    »… das man schmieden muss, solange es heiß ist …«
    »Du hast keine Erfahrung. Nimm wenigstens einen Kollegen mit.«
    »Es ist meine Geschichte, Greg. Ich will die nicht teilen.«
    Gregory Chaucer, deutsch-irischer Abstammung, seit dreißig Jahren im Zeitungsgeschäft und seit zehn Jahren Verleger und Chefredakteur des links-alternativen KölnJournals, hatte vier Tugenden auf sein Banner geschrieben: den richtigen Riecher, Neugier, Biss und eine ordentliche Portion Egoismus. Er selbst hatte sich mit mutigen, kompromisslosen Artikeln an die Spitze geschrieben und verlangte normalerweise auch von anderen, dass sie Zivilcourage und Ehrgeiz zeigten.
    »Tut mir leid, Romy. Ich kann dir nicht …«
    Sie stand auf und sah traurig auf ihn hinunter. »Okay, Greg.«
    »Du wirst es ohne meine Erlaubnis tun«, sagte er.
    »Was?«
    »Du weißt genau, was ich meine.«
    »Du lässt mir ja keine Wahl, Greg.«
    Er seufzte. »Hau schon ab! Und pass auf dich auf!«
    Das brauchte er ihr nicht zweimal zu sagen. Sie warf ihm eine Kusshand zu und war schon aus seinem Büro verschwunden.
     
    Das Alibi war rappelvoll. Romy erkannte das eine oder andere Gesicht, aber sie hatte heute keine Lust, sich zu irgendjemandem an den Tisch zu setzen. Ganz hinten, bei der Garderobe, war noch ein Zweiertisch frei. Romy nahm ihn, obwohl sie es hasste, wenn die Ärmel fremder Mäntel und Jacken ihren
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