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Kein Leben ohne Hund

Kein Leben ohne Hund

Titel: Kein Leben ohne Hund
Autoren: Koerzdoerfer Norbert
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Der Tag danach
    Der Tag danach ist leer und leicht.
    Ruby ist tot.
    Der Hund unseres Lebens.
    Es ist still.
    Es ist aus.
    Rubys Leiche liegt auf der Terrasse – wie schlafend in ihrem karierten Körbchen.
    Eingehüllt in ihr Schaffell.
    Friedlich. Ewig. Wie ein Wikinger.
    Rubys Leben ist aus unserem Haus entwichen wie ein Windhauch.
    Was bleibt, ist ein Phantomschmerz.
    Ein Hund ist Leben.
    Kein Hund ist kein Leben.
    Ruby war der Wind in unserm Haus.
    Ruby war das ferne Bellen beim Bremsen des Autos.
    Ruby war das laute Bellen beim Aufschließen der Tür.
    Ruby war das hüpfende, tanzende, schleckende Bellen der Liebe.
    Das Bellen ist erloschen – nach 17 Jahren.
    Aber die Liebe lebt.

    Ich setze mich auf die weiße Terrasse zu meiner schwarzen Hündin.
    Wilde, graue Wolken verwischen den Himmel.
    Rubys Seele ist woanders.
    Wir sind zurückgeblieben.
    Ruby, ein Jack-Russell-Straßenköter-Findelkind, war 17 Jahre unser Herz aus Fell.
    Böse Hände hatten sie ausgesetzt.
    Gütige Hände hatten sie gefunden und aufgeklaubt.
    Ruby war unser erstes Baby.
    Ruby schlief in unserem Bett.
    Ruby kannte den Bischof, der unter uns wohnte – und traf Bundeskanzler Helmut Kohl, als der Bild besuchte.
    Siebzehn Jahre lang schrieb ich jedes Knochenende die Bild -Kolumne Mein Hund & ich – für Millionen Fans.
    Unser erstes Ruby-Buch hechelte sich auf Platz 5 der Zeit -Bestsellerliste – vor Günter Grass.
    Über einen Hund zu schreiben, der nur wenig sprach, war nicht schwer: Man musste Ruby nur angucken, nur beobachten, nur Zeit haben für sie, nur oft Gassi gehen mit ihr, nur da sein.
    Wenn ich über Ruby schrieb, lächelte ich – die Worte schmunzelten.
    Wenn ich von nun an über Ruby schreibe, weinen die Worte.

    Unser Rudel ist verwitwet.
    Ein Teil von uns ist für immer gegangen.
    Aber ein Teil von Ruby wird auch ewig in uns kuscheln.
    Ruby hat einen tiefen Pfotenabdruck in unseren Herzen hinterlassen – groß wie ein Wald.
    Nach 17 Jahren haben wir – blutenden Herzens – Rubys Lebenslicht ausgeknipst – mit einer dünnen Nadel: ein Sekundentod.
    Plötzlich stehen wir emotional im Dunkeln.

    Es gibt ein Leben vor Ruby – mit Ruby – und nach Ruby.
    In die Melancholie drängt sich ein Gefühl der Erlösung und Erleichterung und der Erinnerung.
    Es gibt Sekunden, die sind wie Tränen.
    Wenn ich von einer Reise komme und niemand ist da, ist unser Haus doppelt still, seltsam leblos und verlassen.
    Ruby war unser Hausgeist, Wachedrachen und Hofnarr.
    Das staksende Trippeln ihrer rutschenden Pfötchen auf dem knarrenden Holzparkett war unsere House-Musik.
    Der Sound von Ruby.
    Plötzlich ist unser Haus stumm und ohne Echo.

    Wenn ich unseren zweiflügligen Eisschrank öffne, bin ich allein statt zu zweit. Die Kühle knurrt – nicht das schnuppernde Schnäuzchen zwischen meinen Füßen.
    Ruby war mein schwänzelnder Schatten. Wir waren wie Dick und Doof, wie Yin und Yang, wie Würstchen und Senf.
    Jetzt bin ich allein zu Hause – ohne mein zweites Ich mit dem wedelnden Ringelschwänzchen.

    Es gibt schwarze Löcher in unserem Haus, die früher Nischen der Gemütlichkeit waren.
    Wenn meine Augen diese Plätze streifen, schimmern sie glitzernd.
    Das Loch unter Frauchens weißem Schreibtischkasten – in der Küche
    Das war »Ruby’s Place«! Das war die Höhle ihres Stammkörbchens.
    Unverbaubarer Blick zum Kühlschrank und zum Vulkangrill-Herd-Block.
    Ruby sah alles, roch alles, hörte alles.
    Jetzt ist die Höhle gähnend leer und sinnlos. Ein Denkmal des Fehlenden.
    Wenn ich hinschaue, pocht mein Herz.
    Das Loch vor der Terrassentür
    Das war Rubys Fressstation – ihr Doppelnäpfchen: zwei erhöhte Stahlschalen für Wasser und Hundefutter, Kartoffelbrei, Würstchen, Kinderteller-Reste etc.
    Rubys persönlicher Fresstempel.
    Jetzt ist hier nur noch gebohnertes, glänzendes Parkett – eine Leerfläche.
    Wenn ich daran vorbei muss, gehe ich langsamer.
    Das Loch an der Garderobe
    Hier hingen Rubys Leinen, ihre Halsbänder, ihre rote Rettungsjacke fürs Boot.
    Jetzt hängen hier Hockeysachen, Fußballzeugs oder Schlüssel oder nichts.
    Wenn ich meine Jacke aufhänge, schaue ich schluckend weg.
    Das Loch in der Manteltasche
    In fast jeder linken Tasche meiner Mäntel, Übergangsjacken oder Regenanoraks knistern noch dünne, schwarze Gassi-Beutel, um Rubys Reste aufzusammeln, zu verschnüren und zu entsorgen.
    Sie sind immer noch da – sogar in meinem schwarzen Kaschmirmantel von Hermès für die Oper.
    Wenn ich meine
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