Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
hatte. Vielleicht hatte er sogar Selbstmord begangen. Jedenfalls schien er nicht in seine Wohnung zurückgekehrt zu sein.
    Etwas später ließ sich gerichtsmedizinisch bestätigen, daß dieser auf rätselhafte Weise verschwundene Amerikaner tatsächlich den tödlichen Liebesakt mit Lady Carmen vollzogen hatte. Erstens ließ sich nachweisen, daß es an Lady Carmens letztem Abend auch zu Sex im Bett gekommen zu sein schien. Schamhaare und Spermienproben aus dem Schlafzimmer stimmten mit den Sekret und Spermienfunden überein, die man im Körper der verstorbenen Frau gefunden hatte. Und der Vergleich mit Proben von Tony Gianellis Bett in der Wohnung in der Sydney Street beantwortete schließlich die Frage, wer ihr letzter Liebhaber gewesen war. Fingerabdrücke aus der Wohnung in South Kensington befanden sich überdies an mehreren Stellen in der Wohnung in Mayfair.
    Der Gerichtsmediziner, der die Todesursache feststellen sollte, zögerte nicht besonders lange. Er kam zu dem Schluß, daß es sich um einen Unglücksfall handle, ein sexuelles Experiment, das zu weit getrieben worden sei. Der Mann, der daran teilgenommen habe, sei hinter der mit Handschellen gefesselten und in einer Schlinge steckenden Frau so sehr mit seiner eigenen Aktivität beschäftigt gewesen, daß ihm erst zu spät aufgefallen sei, daß sie zumindest das Bewußtsein verloren hatte. Möglicherweise sei er dabei in Panik geraten. Vielleicht habe er nicht erkannt, daß es noch immer möglich gewesen wäre, sie zu retten. Der Zustand der Leiche habe jedenfalls ergeben, daß die Frau recht langsam erstickt sei. Der Vorgang habe sich offenbar sehr in die Länge gezogen. Die Würgemale an ihrem Hals zeigten überdies, daß die Schlinge mehrmals dort angelegt worden sei, vermutlich bei einigen Varianten des Geschlechtsakts.
    Folglich sei nicht Mord als Todesursache zu nennen. Es liege ein Unglücksfall vor wie bei vielen anderen ähnlichen Fällen.
    Damit war die Jagd nach dem unglücklichen Tony Gianelli für die Polizei nicht mehr sonderlich dringlich. Man fahndete zwar nach ihm und nahm auch mit amerikanischen Behörden Verbindung auf. Als man dann endlich einen runden Monat später bei New Scotland Yard von der Polizei in Kalifornien erfuhr, daß Tony Gianelli nach einem Autounfall seit mehr als einem Jahr im Koma lag, kam man in London zunächst nur zu dem Schluß, daß eine Verwechslung vorliegen müsse.
    Weiter gedieh die Polizeiarbeit jedoch nicht, da von den obersten Gesellschaftsschichten diskreter Druck ausgeübt wurde. Man ließ durchblicken, weitere Nachforschungen in der Sache Tony Gianelli seien unerwünscht. Zu dieser Zeit hatten zudem bereits neue Sex-Skandale des britischen Establishments das Interesse der Medien auf sich gezogen.
    *
    Als Jassir Arafat später in diesem Herbst als offizieller Gast des schwedischen Ministerpräsidenten in Stockholm eintraf, wurde Carl, zunächst zu seinem Erstaunen und dann zu seiner Schadenfreude, erneut zu den Fahnen gerufen.
    Er war unbestreitbar der einzige Schwede, dem je die Palästinensische Ehrenlegion verliehen worden war. Das führte zu der ebenso logischen wie ironischen Konsequenz, daß Carl ausdrücklich angewiesen wurde, vor der Begegnung mit Jassir Arafat diese Auszeichnung anzulegen.
    Um die Frage, wie verschiedene Auszeichnungen an einer Uniform anzubringen seien, hat sich eine ganze Wissenschaft etabliert. Es gibt so etwas wie eine internationale Übereinkunft über die Rangfolge.
    Die Hauptregel lautet, daß die Auszeichnungen des eigenen Landes »dem Herzen am nächsten« anzubringen sind, eine Vorschrift, der Carl sich natürlich immer gefügt hatte. Doch als der Zufall es jetzt wollte, daß Carl an seiner Uniform drei volle Reihen sogenannter Ordensspangen trug, mußte er wieder von vorn anfangen. Die korrekte Möglichkeit wäre wohl gewesen, die schwarz-weiß-rot-grünen Farbmarkierungen direkt unter den übrigen drei Reihen anzubringen. Doch Carl plazierte die palästinensische Ordensspange gleichsam aus Versehen falsch, wenn auch nur um einige Zentimeter, so daß sie »dem Herzen am nächsten« saß.
    Als Carl beim Ministerpräsidenten zu dem ersten Treffen mit Jassir Arafat in Rosenbad eintraf, konnte er feststellen, daß der Ministerpräsident die kindische Demonstration entdeckte. Zumindest für einen kurzen Augenblick sah es aus, als wollte der Regierungschef darauf hinweisen, wie unpassend dieses Vorgehen sei, doch dann schien er es sich anders zu überlegen. Carl ließ die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher