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Lady Daphnes Verehrer

Lady Daphnes Verehrer

Titel: Lady Daphnes Verehrer
Autoren: Madeline Hunter
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1
    Der Tod eines Herzogs ist für viele Menschen ein Grund zur Trauer, vor allem jedoch für diejenigen, die finanziell auf ihn angewiesen sind. Und so beweinte manch ein Verwandter und Bediensteter das Ableben des vierten Herzogs von Becksbridge. Einige aber mussten sich ein ungebührliches Grinsen verkneifen, insbesondere die Personen, die er in seinem Testament mit Zuwendungen oder Pensionen bedacht hatte.
    Einer der Begünstigten allerdings war weder traurig noch erfreut. Erst am Dienstag nach der Beerdigung des Herzogs befasste er sich mit dem kuriosen Umstand, dass er etwas von ihm bekommen hatte.
    »Ich hoffe, ich muss deshalb nicht im Gedenken an ihn Trauer tragen«, brummte Tristan Herzog von Castleford.
    Er prüfte die Urkunden der Liegenschaften, die er geerbt hatte. Hätte er keine Kopfschmerzen von der Abstinenz gehabt, die er jeden Dienstag hielt, hätte er vielleicht einen gewissen Kummer wegen seines verschiedenen Standesgenossen verspürt. Doch selbst an einem guten Tag hätte ihn das große Mühe gekostet.
    Becksbridge war nur ein entfernter Verwandter von ihm gewesen, und die meisten Besitztümer, die er ihm vermacht hatte, schienen genauso weit entfernt zu sein. Und klein. So klein und unbedeutend, dass sie kaum die Tinte wert waren, mit der die Zuwendung im Testament verzeichnet worden war.
    »Sie beabsichtigen nicht, zu trauern? Er war ein bedeutender, hoch angesehener Mann«, bemerkte Mr Edwards, sein bebrillter Sekretär, von seinem mit Papieren bedeckten Schreibtisch im Arbeitszimmer aus, wo sie gemeinsam Castlefords geschäftliche Angelegenheiten regelten.
    »Er war ein Dummkopf. Ein langweiliger, eingebildeter Wichtigtuer. Seine langweilige Art war einfach nur lästig, aber seine Arroganz war unverzeihlich.«
    Letztere war ein vererbter Charakterzug, was jedoch nach Castlefords Meinung nicht entschuldigte, dass Becksbridge die Neigung bis zum Äußersten ausgelebt hatte. Es war regelrecht zum Kotzen, was diese ganze Seite des verästelten Familienstammbaums sich auf ihre Tugendhaftigkeit einbildete. Gleichwohl wäre Becksbridge noch zu ertragen gewesen, wenn er das Motto »Leben und leben lassen« beherzigt hätte.
    Aber leben lassen, das hatte er natürlich nicht gekonnt. Die Becksbridges dieser Welt glaubten, es sei die Aufgabe von Tugendbolden wie ihnen, andere zu einem ebenso tristen Leben wie dem ihren anzuhalten. Becksbridges Sohn und Erbe Gerome, der Graf von Latham, hatte sogar in Erwartung seiner Erbschaft mehrere Schriften über Moral und Sittlichkeit veröffentlicht. Der nächste Herzog von Becksbridge hatte seine Gesellschaftsschelte bereits in gedruckter Form in die Welt hinausgetragen und sich mit seinen verdammten Essays einen Ruf als Sittenwächter erworben.
    Was für eine Ironie! Castleford hatte nur Hohn und Spott für ihn übrig, aber wenn er sich weiter mit dem Thema beschäftigte, würden seine Kopfschmerzen noch schlimmer werden. Dennoch, er kannte Latham besser als jeder andere. Sie waren ungefähr gleichaltrig und hatten früher zusammen die Nacht zum Tag gemacht. Selbst gut gepflegte Zweige von Stammbäumen brachten manchmal wurmstichige Früchte hervor: Die Nachfolge des langweiligen alten Trottels trat nun ein gefährlicher Heuchler an.
    »Sie haben wieder diesen gequälten Ausdruck im Gesicht, den Sie immer aufsetzen, wenn Sie an Ihren Worten zu ersticken drohen, Edwards. Missfällt es Ihnen, dass ich schlecht von dem Toten spreche?«
    Edwards errötete. Er war erst fünfundzwanzig und hatte noch nicht gelernt, dienstags seine Meinung für sich zu behalten, vor allem wenn ihn sein Dienstherr aufforderte, freimütig zu sprechen. »Der Herzog war ein einzigartiger Mensch und sehr großzügig. Es heißt, er habe in seinem Testament ein Waisenhaus beschenkt.«
    »Einzigartig? Wollen Sie mir damit etwa ins Gesicht sagen, ich wäre ihm nicht ebenbürtig? Das ist sehr undankbar von einem Sekretär, der vielleicht einen Tag pro Woche richtig arbeiten muss, wenn ich mich um meinen Besitz kümmere, und ansonsten mehr Freiheiten hat, als ein Diener haben sollte.«
    »Ich … das heißt, Sie sind natürlich ebenso einzigartig, Hoheit. Das sagt jeder und …«
    »Ich bin nicht der Ansicht, dass man liebevoll eines Idioten gedenken sollte, nur weil er die Mittel hatte, mit Geschenken um sich zu werfen, damit andere sich ihm verpflichtet fühlen. Und was seine Großzügigkeit
mir
gegenüber angeht: Weder brauche ich diese kleinen Liegenschaften noch will ich sie. Der Mann hat
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