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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät
Autoren: Jan Guillou
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hätte nicht nur mit dem Kabel, sondern auch mit geschnittenem Gras, das sie immer auf den Komposthaufen der Eltern warf, zurückkommen sollen. Doch da keins dieser Vorhaben als besonders dringlich angesehen werden konnte, nahm der Vater an, daß irgend etwas dazwischengekommen war und Samantha offenbar die Unbequemlichkeit nicht auf sich nehmen wollte, die für den nächsten Tag geplante Reise nach Bournemouth damit zu beginnen, den Komposthaufen der Familie aufzusuchen.
    Als Samanthas beschädigter Wagen an dem Ort aufgefunden wurde, den alle Polizisten der Welt als Tatort ansehen würden, fehlte das geschnittene Gras im Kofferraum. Die leeren Plastiksäcke lagen jedoch auf dem Beifahrersitz. Das Elektrokabel des Rasenmähers war um Samanthas Beine gewickelt. Unter dem Fahrersitz lag ein Geschenk, das eindeutig für ihren Freund gedacht gewesen war.
    Insgesamt war es also selbstverständlich, daß die Thames Valley Police zunächst mit einer Mordtheorie arbeitete. Samanthas Angehörige und Freunde konnten sich ebenfalls nichts anderes vorstellen. Der Gedanke an Selbstmord kam erst nach einiger Zeit auf, und zwar bei der Polizei, nicht etwa bei Verwandten und Freunden der Toten.
    Das erste Problem der Polizei war das Fehlen von Zeugen. Man machte einen LKW-Fahrer ausfindig, der ganz in der Nähe des schwarzen PKW über Nacht geparkt hatte. Der Mann erinnerte sich noch deutlich, daß eine Vordertür des Wagens offen gewesen war, doch, wie er erklärte, habe er sich nicht einmischen wollen, da der Ort, an dem der Wagen stand, offenbar so etwas wie eine romantische Anziehungskraft besaß. Es war üblich, daß junge Paare gerade hier hielten.
    Als einige Zeit mit diffuser Polizeiarbeit ohne greifbaren Erfolg vergangen war, meldeten sich Samanthas Eltern bei der beliebten BBC-Sendung »Gesucht wird…« Dort reagierte man, wenn auch eher halbherzig, und brachte ein kurzes Feature, in dem die laufende Mordermittlung beschrieben wurde. Eventuelle Zeugen wurden gebeten, sich zu melden. Man zeigte auch ein Foto von Samantha Arnolds verschwundener Handtasche und dem Schlüsselbund mit dem Wagenschlüssel.
    Der Fernsehsender erhielt kurz darauf einen interessanten Tip eines Mannes, der Samantha Arnold wiederzuerkennen behauptete. Er meinte, sich an Zeit und Ort zu erinnern sowie an einen elegant gekleideten Mann neben einem grünen BMW. Später stellte sich heraus, daß dieser Hinweis die Polizei entweder nicht erreicht hatte oder bei der Ermittlungsarbeit irgendwie verlorengegangen war.
    Erst zwei Monate später konnte ein Kriminalreporter in einer lokalen Zeitung mitteilen, daß die Polizei jetzt dazu neige, von Selbstmord auszugehen. Der springende Punkt war dabei natürlich das Motiv, und der Reporter wußte »von einer hochgestellten Quelle bei der Polizei« zu berichten, daß Samantha an panischer Angst vor AIDS gelitten habe und daß diese Furcht offenbar zu schwermütigen Grübeleien geführt habe, die in Depressionen und Selbstmord geendet hätten.
    Als ihre aufgebrachten Eltern und Freunde am folgenden Tag die örtliche Polizei belagerten, wurden die Spekulationen über Selbstmord mit allgemeinen Phrasen dementiert wie etwa »Sie wissen doch, wie Journalisten sind«.
    Die Selbstmordtheorie gewann jedoch so sehr an Boden, daß sie am Ende zur Grundlage der Untersuchungen wurde.
    Demzufolge war es Samantha Arnold also mit großem Erfolg gelungen, jede Neigung zu Grübeleien und Depressionen zu verbergen, selbst vor ihren Eltern, ihrem Freund und ihren Mitbewohnerinnen.
    Ihren Selbstmord hatte sie schließlich so arrangiert, daß er sowohl für Polizisten wie für Laien wie ein Mord aussehen mußte. Sie muß diesem Vorhaben beträchtliche intellektuelle Mühen gewidmet haben – man beachte nur das verschwundene Gras sowie die leeren Plastiksäcke auf dem Vordersitz. Ganz zu schweigen von der nicht auffindbaren Handtasche, den verschwundenen Autoschlüsseln und dem schadhaften Getriebe. Ferner mußte sie dafür gesorgt haben, daß ihr Wagen so zugerichtet wurde, als wäre er in aller Hast durchsucht worden.
    Die Wagenschlüssel mußte sie in nicht allzu großer Entfernung versteckt haben, denn der Wagen mußte schließlich dorthin gefahren worden sein, wo man ihn vorfand – das ganze Gelände wurde zu Beginn der Ermittlung durchsucht, als man noch von einem Mord ausging. Es wurden fünfzig Polizeibeamte mit Metalldetektoren eingesetzt – ohne Erfolg. Und dennoch waren dies noch die einfacheren Bestandteile von
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