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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät
Autoren: Jan Guillou
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den der kleine Flegel für ihn fand, war »dieser Mann da«. Tessie hatte Carl beschuldigt, sich nicht genug Mühe zu geben, und er hatte erwidert, es sei erstens gar nicht so leicht, und zweitens wolle er nach dem Grundsatz »Eile mit Weile« verfahren. Das war ein Begriff, der Tessie unbekannt war.
    Jetzt hatte er sich auch noch an den mißtrauischen Achtjährigen angeschlichen. Er stand wie festgefroren da; wenn er jetzt zurückschlich, um sich dem Jungen etwas lauter zu nähern, würde er sich lächerlich machen.
    »Hast du nachgesehen, was der Wurm macht?« fragte er plötzlich.
    »Himmel, verdammt, du kannst einem vielleicht Angst einjagen!« erwiderte der Junge, während er herumwirbelte.
    »Aber du bist wahrscheinlich so einer, der sich an Leute anschleicht«, fuhr er sauer fort und wandte sich erneut dem Schwimmer zu, den er jetzt mit einer alles verschlingenden Konzentration im Auge zu behalten schien. Carl stand eine Weile unentschlossen da.
    »Gerade hier vor der Brücke ist es ziemlich tief. Wir haben den Grund nämlich ausgebaggert, damit ein Boot hier Platz hat. Wie wär’s, wenn du es ein wenig tiefer versuchst, näher am Seeboden?« fragte Carl mit angestrengter Freundlichkeit.
    »Glaub ja nicht, daß du mir was über Fische beibringen kannst. Ich bin am Meer aufgewachsen«, erwiderte der Junge mürrisch.
    »Das bin ich auch. Ich bin an schwedischen Gewässern aufgewachsen, genau dort, wo diese Fische wohnen. Glaub mir, die gehen ein bißchen tiefer, zumindest die großen«, sagte Carl lahm. Er fühlte sich völlig deplaziert.
    Der Junge antwortete nicht, und Carl blieb schweigend hinter ihm stehen. Plötzlich schien der Junge sich anders zu besinnen und zog entschlossen den Köder aus dem Wasser. Er nahm die Schnur und schob den Schwimmer ein wenig höher, um Wurm und Haken tiefer sinken zu lassen.
    »Warte!« sagte Carl, dem gerade eine Eingebung kam. »Dieser Wurm sieht nicht mehr sehr munter aus, und außerdem haben die Plötzen an beiden Enden schon was abgeknabbert.«
    Er fing den Haken ein und streifte die Wurmreste ab. Dann kramte er aus der Kaffeedose, die er am Morgen selbst mit Erde und Regenwürmern gefüllt hatte, zwei Würmer hervor. Er riß einen Wurm in kleine Stücke, die er in einem kreisförmigen Muster von der Brücke ins Wasser warf, und befestigte schnell den zweiten Wurm am Haken.
    »Jetzt wollen wir mal sehen«, sagte er mit übertrieben gespielter Erwartung und warf die Schnur aus.
    »Warum hast du das gemacht?« fragte Stan neugierig.
    »Ganz einfach, Kleiner«, erwiderte Carl, der mit Bedacht das englische Wort kid und nicht son gewählt hatte, »wir bringen den Barschen jetzt bei, daß Würmer etwas Leckeres sind. Überall da unten im Dunkeln sinken jetzt ungefährliche kleine Wurmstücke zu Boden. Stell es dir vor: Die Barsche naschen ein bißchen davon und entdecken, daß Würmer was Schönes sind, nicht wahr? Und dann beißen sie an und sitzen am Haken!«
    Stan antwortete nicht, starrte aber mit sichtlich zunehmendem Interesse auf den Schwimmer.
    So blieben sie eine Zeitlang sitzen und betrachteten den Schwimmer, der plötzlich mit einer schnellen Bewegung unterging. Der Junge schrie entzückt auf, riß intuitiv die alte Angelrute aus Bambus hoch und hatte den Fisch am Haken.
    Einen Augenblick später lag ein Barsch zappelnd auf der Brücke. Er war dreimal so groß wie die anderen. Der Haken hatte sich tief ins Maul gebohrt.
    Stan ergriff ihn mit beiden Händen, um ihn an der Brückenkante totzuschlagen, aber der glitschige Fisch rutschte ihm aus den Händen und verschwand wieder im Wasser, den Haken noch immer im Maul.
    Als Stan die Rute erneut hochriß, ergriff Carl den an der etwas verhedderten Schur hängenden Barsch mit einer Hand. Dann stieß er dem Fisch den Daumen der anderen Hand schnell ins Maul und brach ihm mit einem Knacken das Genick. Vorsichtig zog er den Haken aus dem toten Fisch, legte die Wurmreste zur Seite und den Fisch neben die anderen Barsche. Dann griff er erneut nach der Dose mit den Regenwürmern.
    »Himmel, den hast du aber schnell getötet«, keuchte Stan.
    »Es ist wichtig, daß man sie schnell tötet«, erwiderte Carl ohne nachzudenken. Dann ging ihm auf, was er gerade gesagt hatte, und er beschloß, einige mildernde Worte hinterherzuschicken.
    »Also, wenn wir uns schon das Recht nehmen, diesen Fisch zu töten, müssen wir zumindest dafür sorgen, daß er möglichst wenig leidet«, fuhr er verlegen fort, als er einen neuen Regenwurm auf
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