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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät
Autoren: Jan Guillou
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er langsam weiterschlich, spielte er gegen die Zeit. Der Junge würde bald ungeduldig werden und die Körperhaltung ändern.
    Carl hatte noch einen Meter vor sich, als Stan sich leicht drehte, aus dem Augenwinkel etwas entdeckte und zusammenzuckte, erst ängstlich, dann triumphierend.
    »Ha! Ich hab dich erwischt! Du hast noch einen Meter übrig, ich hab gewonnen!« sagte Stan lachend.
    »In Ordnung«, sagte Carl und ließ seine nassen Kleider mit einer übertrieben resignierten Geste auf die Brücke fallen. Er breitete die Arme aus. »Ich werde wohl allmählich alt. Die Kräfte lassen nach«, sagte er mit einem Lächeln und setzte sich auf die Brückenkante. Er bekam seine Brieftasche wieder und entnahm ihr einen Zwanzig-Kronen-Schein, den er dem Jungen reichte. Stan küßte ihn triumphierend und stopfte ihn in die Hosentasche.
    »Obwohl wir natürlich am besten darauf trainiert sind, so was im Dunkeln zu machen«, sagte Carl nach einiger Zeit mit einem gespielt nachdenklichen Gesichtsausdruck.
    »Wow! Im Dunkeln«, bemerkte Stan sichtlich beeindruckt.
    »Aber erzähl doch, wo bist du abgeblieben? Ich dachte fast schon, du wärst ertrunken, und eine Zeitlang glaubte ich… ach was, ich weiß nicht mehr, was ich glaubte. Aber wie hast du es gemacht?«
    Carl berichtete pflichtschuldigst und exakt, was er getan hatte. Er zeigte die Richtung, in die er geschwommen war, und die weit entfernte Stelle, an der er das Schilf erreicht hatte, und erklärte dann, wie er an Land einen weiten Bogen geschlagen hatte, um nicht gesehen zu werden.
    Stan wollte natürlich alles über die Einheiten für spezialisierte Kriegführung erfahren, wie die offizielle Bezeichnung für SEAL bei der amerikanischen Marine lautete. Und Carl war nicht gerade unwillig, es zu erzählen.
    Sie zogen noch zwei weitere Barsche aus dem Wasser und beschlossen, daß sie für heute genug geangelt hätten. Carl würde die Fische putzen und versprach, zum Essen eine Vorspeise daraus zu machen.
    Auf dem Weg zum Haus fragte Stan, ob Carl einen Film mit dem Titel Lethal Weapon gesehen habe. Dieser gab lachend und scheinbar beschämt zu, daß ihm dieser einzigartige Film leider entgangen sei. Stan zufolge war die Hauptperson in diesem Film ein Mann, der teuflisch gut mit einer Baretta-Pistole schießen könne – Carl korrigierte, es heiße Beretta, und erwähnte gleichsam nebenbei, daß dies eine seiner Dienstwaffen sei. Stans Frage, ob er genauso gut schieße wie Mel Gibson, mußte Carl unbeantwortet lassen.
    Stan beschrieb eifrig, wie Mel Gibson, also der Polizist, den Mel Gibson darstelle, in eine Schießscheibe in schneller Folge die Form eines grinsenden Gesichts geschossen hatte. Carl brummte, in der ganzen Welt gebe es keinen Menschen, der das in Wirklichkeit könne. Die unvermeidliche Frage folgte natürlich, bevor sie das Haus erreicht hatten.
    »Bitte, kannst du mir nicht zeigen, wie man mit einer richtigen Pistole schießt?«
    Bei Carl meldeten sich verschiedene Alarmglocken gleichzeitig. Doch als er in die dunklen, bittenden Augen des Jungen blickte, wurde er weich. Außerdem würde es ihm dabei helfen, den Jungen auf seine Seite zu ziehen.
    »Na schön, mein Junge, ich werd’s dir zeigen. Zumindest kann ich dir die Anfangskenntnisse vermitteln«, sagte Carl schließlich. Er schob den Jungen vor sich her zum Kellereingang auf der Rückseite des Hauses.
    Sie stellten die Angelrute neben der Kellertür ab und legten die Fische auf den kühlen Steinfußboden. Dann führte Carl den Jungen durch die Dunkelheit zu der großen Stahltür mit dem Zahlenschloß, gab die Kombination ein, schob den Jungen hinein, folgte ihm und zog die Tür hinter sich zu, ohne sie zu verschließen. Er wartete einige Sekunden in der totalen Dunkelheit und lauschte dem heftigen Atem des Jungen. Dann machte er das Licht an.
    Die Neonleuchten flimmerten und knackten, als eine Reihe nach der anderen anging, bis der Schießstand von grellem Licht erhellt wurde. Am anderen Ende des Raums befanden sich vier gängige Militärziele, Viertelgestalten mit Kopf und Helm. Zwei große Waffenschränke standen an der Wand. Die dunklen Augen des Jungen waren fast so groß wie Untertassen.
    Während Carl einen der Schränke öffnete, begann er mit seiner Instruktion. Am wichtigsten sei die Konzentration auf das, was man vorhabe. Bis auf das Zielen selbst müsse man alles ausschalten können. Außerdem komme es auf das weiche Abdrücken an. Die meisten Menschen brauchten viele Jahre, um das zu
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