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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät
Autoren: Jan Guillou
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den Haken streifte und die Reste des alten Wurms im selben Muster wie zuvor ins Wasser warf.
    Fast augenblicklich biß wieder ein Fisch an, ein Barsch von der gleichen Größe wie der letzte. Diesmal wollte Stan ganz genau sehen, was Carl tat, um dem Fisch das Genick zu brechen. Dann saßen sie erneut gespannt und schweigend auf der Brücke und betrachteten den Schwimmer. Doch diesmal dauerte es.
    »Glaubst du, sie sind inzwischen mißtrauisch geworden?«
    fragte Stan mit einem Anflug von Enttäuschung in der Stimme.
    »Nix da, so schlau sind Fische nicht, aber sie kommen und gehen. Nur Geduld, dann kriegen wir wieder einen«, sagte Carl mit einem zufriedenen Zwinkern; er hatte das Gefühl, als würde jetzt auch bei ihm bald jemand anbeißen.
    »Hast du das da, seitdem du unsere Hunde getötet hast?« fragte Stan nach einer Weile und zeigte mit einem Kopfnicken auf das Gewirr von weißen Narben auf Carls nacktem Unterarm.
    »Mmh«, bestätigte Carl vorsichtig. »Tut mir leid, aber damals hatte ich kaum eine Wahl.«
    »Ach was, scheiß auf die Hunde!« erwiderte Stan schnell. Carl mußte über den groben amerikanischen Ausdruck lächeln.
    »Ich hatte sowieso nicht viel für die Köter übrig. Aber hast du nicht Schiß gehabt? Diese verdammten Hunde jagen sonst allen Leuten eine Wahnsinnsangst ein.«
    »Achte ein bißchen auf deine Sprache, junger Mann«, sagte Carl mit einem mühsam unterdrückten Lächeln. »Nein, man hat gar keine Zeit, vor solchen Hunden Angst zu haben. Wenn man Angst hat, erledigen sie einen. Hast du danach neue Hunde bekommen?«
    Der Schwimmer tauchte erneut unter, und Carl hatte das Gefühl, als hätte ihn dieser neue Barsch gerettet wie der Gong einen angeschlagenen Boxer. Dies war mit Sicherheit eins der Themen, das er sich bei Gesprächen mit dem Jungen am wenigsten wünschte. Stan brach dem Barsch nach einigem Zögern selbst das Genick und streifte einen neuen Regenwurm auf den Haken.
    »Papa sagt, du bist ein Mörder«, sagte Stan dann, als hätte er die ganze Zeit vorgehabt, auf diese Bemerkung hinzusteuern. Er sagte es mit abgewandtem Gesicht.
    »Das ist eine ungerechte Beschreibung«, erwiderte Carl langsam und vorsichtig, während er verzweifelt überlegte, wie er fortfahren sollte: Sollte er alles als Bagatelle abtun und ein paar begütigende Worte sagen oder gestehen und alles romantisch verklären?
    »Ich bin Marineoffizier. Ich habe in der schwedischen Marine einen Job gehabt, bei dem es dazugehört, daß man gegen die bösen Jungs kämpft. Man könnte sagen, daß ich etwas Glück gehabt habe, denn die bösen Jungs haben verloren, während ich gewonnen habe.«
    »Und dann hast du ihnen den Hals durchgeschnitten!« erwiderte der Junge schnell mit fast eifrigem Tonfall und brachte Carl damit erneut aus dem Gleichgewicht.
    »Nun ja…«, sagte er zögernd. »Gerade diese Methode ist wohl nicht so üblich, wie manche Leute glauben. Fußtritte und solche Dinge, die du in Filmen siehst, sind eher die Ausnahme. Wenn jemand ankommt und tritt und zappelt so wie diese Pyjamaringer, ist es doch praktischer, eine funktionierende Waffe in der Hand zu haben.«
    »Das ist aber nicht fair!« wandte der Junge beinahe entrüstet ein.
    »Wie wahr, wie wahr«, gab Carl zu. »Aber wir sprechen von Kriegshandlungen und nicht von Sport. Im Krieg gibt es nur die Regel, daß wir die Guten sind und gegen die anderen kämpfen, die Bösen. Es ist unser Job zu gewinnen, ihrer übrigens auch, und andere Regeln gibt es im Krieg nicht.«
    Der Junge verstummte und wandte seine Konzentration wieder dem rotweißen Korkschwimmer zu. Carl grübelte darüber nach, was Stans Vater seinem Sohn wohl über die schlechten Eigenschaften des anderen Mannes eingetrichtert hatte. Meuchelmörder, Spion und weiß der Himmel was sonst noch.
    Er beschloß, dem Thema nicht auszuweichen. Stan war immerhin ein achtjähriger Amerikaner, der im Kino und im Fernsehen inzwischen mehr als fünfundzwanzigtausend Morde gesehen haben mußte; natürlich wußte er nicht, ob der Junge in seiner Phantasie zwischen der Fernsehwelt und der Wirklichkeit unterscheiden konnte. Doch es war sicher ein Gesprächsthema, das ihn faszinierte. Inzwischen hatte wieder ein Fisch angebissen. Die anschließende Prozedur, den Barsch vom Haken zu nehmen, ihm das Genick zu brechen und einen neuen Wurm auf den Haken zu streifen, gab Carl Zeit, sich zu entschließen, wie er die Unterhaltung fortführen sollte.
    Doch als der Schwimmer wieder auf dem Wasser hüpfte,
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