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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Autoren: Robert E. Howard
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Das Hügelgrab auf der Landzunge
    »Dies ist der Cairn, den Sie suchen«, sagte ich und legte die Hand behutsam auf einen der rauen Steine, aus denen sich der seltsam symmetrische Haufen zusammensetzte.
    In Ortalis dunklen Augen brannte reges Interesse. Sein Blick wanderte über die Landschaft, kam dann zurück und blieb auf dem großen Haufen verwitterter Steinbrocken haften.
    »Was für ein wilder, merkwürdiger, öder Ort«, sagte er. »Wer hätte gedacht, hier so etwas zu finden? Abgesehen von dem Rauch, der dort hinten aufsteigt, käme man doch im Traum nicht auf den Gedanken, dass hinter dieser Landzunge eine große Stadt liegt! Hier ist ja kaum eine Fischerhütte zu sehen.«
    »Die Leute meiden den Cairn, meiden ihn seit Jahrhunderten«, sagte ich.
    »Warum?«
    »Das haben Sie mich schon einmal gefragt«, erwiderte ich ungeduldig. »Ich kann dazu nur sagen, dass sie heute aus Gewohnheit einen Bogen um etwas machen, um das ihre Vorfahren aus Wissen einen Bogen geschlagen haben.«
    »Wissen!« Er lachte spöttisch. »Aberglaube!«
    Ich sah ihn ernst und mit unverhohlenem Hass an. Größere Gegensätze als zwischen uns beiden konnte es zwischen zwei Männern kaum geben. Er war schlank, selbstsicher, mit seinen dunklen Augen und seinem kultivierten Wesen unübersehbar ein südländischer Typ. Ich bin kräftig gebaut, schwerfällig, habe kalte, blaue Augen, stets zerzaustes rotes Haar und wirke wie ein Bär. Landsleute waren wir insoweit, als dass wir im selben Land zur Welt gekommen sind, aber die Heimat unserer Ahnen war so weit voneinander entfernt wie der Süden vom Norden.
    »Nordischer Aberglaube«, wiederholte er. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Südländer ein solches Geheimnis über all die Jahre unerforscht lassen würden. Dazu sind sie zu praktisch, zu prosaisch, wenn Sie so wollen. Wissen Sie sicher, aus welchem Jahr dieser Haufen stammt?«
    »Ich habe in keinem Manuskript vor 1014 n. Chr. Hinweise darauf gefunden«, knurrte ich, »und ich habe all die existierenden Manuskripte im Original gelesen. MacLiag, der Poet des Königs Brian Boru, erwähnt, dass der Cairn unmittelbar nach der Schlacht errichtet worden ist, und es kann kaum Zweifel daran geben, dass er damit diesen Steinhaufen meint. Dann wird er in den späteren Chroniken der Vier Meister kurz erwähnt, ebenfalls im Book of Leinster, das um 1150 zusammengestellt wurde, und dann wieder im Book of Lecan, das die MacFirbis um 1416 erstellt haben. Und alle bringen den Cairn mit der Schlacht von Clontarf in Verbindung, ohne dabei zu erwähnen, weshalb er gebaut wurde.«
    »Na und, was ist daran Geheimnisvolles?«, wollte er wissen. »Was wäre natürlicher, als dass die besiegten Wikinger über dem Leichnam eines großen Häuptlings, der in der Schlacht gefallen war, einen Cairn errichten?«
    »Zunächst einmal ist die Existenz des Cairns von Geheimnissen umwoben«, erwiderte ich. »Über den Toten Cairns zu errichten, war Brauch der Wikinger, nicht der Iren. Aber den Chroniken nach haben diesen Haufen nicht die Wikinger errichtet. Wie hätten sie ihn unmittelbar nach der Schlacht errichten können, in der man sie doch niedergemetzelt und in wilder Flucht durch die Tore von Dublin getrieben hat? Ihre Häuptlinge lagen dort, wo sie gefallen waren, und die Raben haben ihre Knochen abgenagt. Nein, diese Steine haben irische Hände aufgetürmt.«
    »Na und, war das so ungewöhnlich?«, bohrte Ortali. »In alten Zeiten haben die Iren Steine aufgehäuft, ehe sie in die Schlacht gingen. Jeder Mann hat einen Stein hingelegt, und nach der Schlacht haben die Lebenden ihre Steine wieder weggenommen, und auf die Weise konnte jeder, der die verbliebenen Steine zählen wollte, feststellen, wie viele erschlagen worden waren.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das war in einer viel ferneren Vergangenheit, nicht in der Schlacht von Clontarf. Zunächst einmal waren an dieser Schlacht mehr als zwanzigtausend Krieger beteiligt, und hier sind viertausend gefallen; dieser Cairn ist nicht groß genug, dass er sozusagen als Zählliste der Getöteten gedient haben könnte. Und er ist viel zu symmetrisch gebaut. Kaum ein Stein ist in all den Jahrhunderten heruntergefallen. Nein, man hat den Cairn errichtet, um etwas darunter zu verstecken.«
    »Nordischer Aberglaube«, spottete Ortali erneut.
    »Na, meinetwegen. Aberglaube!« Sein Spott hatte mich so wütend gemacht, dass ich es zornig aus mir herausstieß und er unwillkürlich einen Schritt rückwärts machte und mit der
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