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Im hohen Gras

Im hohen Gras

Titel: Im hohen Gras
Autoren: S King
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bin, als du mich gebraucht hast?« Hallorann blickte auf Danny hinunter und grinste. »Nein. Kam es nicht. Wieso auch? Du warst noch sehr klein, aber jetzt bist du ein wenig älter. In mancher Hinsicht sogar viel älter. Deshalb hör mir mal zu, Danny. Die Welt hat es so an sich, die Dinge im Gleichgewicht zu halten. Daran glaube ich jedenfalls. Es gibt so einen Spruch: Wenn der Schüler bereit ist, erscheint der Lehrer. Ich war dein Lehrer.«
    »Du warst viel mehr als das«, sagte Danny. Er griff nach Dicks Hand. »Du warst mein Freund. Du hast uns gerettet.«
    Das ignorierte Dick … er tat jedenfalls so. »Meine Oma war auch hellsichtig – weißt du noch, wie ich dir davon erzählt hab?«
    »Klar. Du hast gesagt, ihr hättet euch lange unterhalten, ohne den Mund aufzumachen.«
    »Genau. Sie hat mir das beigebracht. Und es war ihre Ur großmutter, die es ihr beigebracht hatte, damals zur Zeit der Sklaverei. Irgendwann, Danny, wirst du mal der Lehrer sein. Dann wird der Schüler kommen.«
    »Wenn Mrs. Massey mich nicht vorher erwischt«, sagte Danny missmutig.
    Sie kamen zu einer Bank. Dick setzte sich. »Ich gehe lieber nicht weiter, sonst schaffe ich es womöglich nicht zurück. Setz dich neben mich. Ich will dir eine Geschichte erzählen.«
    »Ich will aber keine Geschichten hören«, sagte Danny. »Sie wird wiederkommen, verstehst du das nicht? Sie wird immer und immer und immer wiederkommen.«
    »Halt den Mund, und sperr die Ohren auf. Lass dir was sagen.« Dick grinste und stellte seine funkelnden neuen Zähne zur Schau. »Ich glaube, du wirst es kapieren. Du bist nämlich alles andere als dämlich, Kleiner.«

Leseprobe aus
    JOE HILL
    CHRISTMASLAND
    Deutsch von Sara und Hannes Riffel
    Erscheint September 2013
im Heyne Verlag

FCI Englewood, Colorado
    S chwester Thornton betrat die Dauerpflegestation kurz vor acht mit einem Beutel warmem Blut für Charlie Manx.
    Sie hatte komplett auf Autopilot geschaltet und war mit den Gedanken ganz woanders. Sie hatte sich endlich dazu durchgerungen, ihrem Sohn Josiah den Nintendo DS zu kaufen, den er sich wünschte, und überlegte, ob sie es noch schaffen könnte, nach Schichtende zu Toys ’R’ Us zu fahren, bevor der Laden zumachte.
    Aus philosophischen Gründen hatte sie sich einige Wochen lang gegen den Kauf des Nintendo gesträubt. Dass Josiahs Freunde auch alle einen hatten, zählte für sie nicht. Diese tragbaren Spielkonsolen, die die Kids überall mit hinnahmen, fand sie einfach furchtbar. Ihr gefiel nicht, wie die kleinen Jungs in den leuchtenden Bildschirmen verschwanden und die Wirklichkeit durch eine imaginäre Welt ersetzten, wo man end- und geistlos Spaß hatte und das Rumballern zur Kunstform erhoben wurde. Sie hatte sich immer ein Kind gewünscht, das gern las und Scrabble spielte und mit ihr auf Schneeschuhtouren ging. Tja, Pustekuchen!
    Eine Zeit lang war Ellen eisern geblieben, doch dann hatte sie Josiah gestern Nachmittag dabei beobachtet, wie er auf seinem Bett saß und mit einem alten Portemonnaie spielte, als wäre es ein Nintendo DS. Er hatte ein Bild von Donkey Kong ausgeschnitten und es in das Plastiksichtfach gesteckt, wo normalerweise Fotos aufbewahrt wurden. Er hatte imaginäre Knöpfe gedrückt und Explosionsgeräusche dazu gemacht. Und es hatte ihr im Herzen wehgetan, ihn so zu sehen – wie er sich im Geiste schon ausmalte, mit etwas zu spielen, das er am großen Tag zu bekommen hoffte. Ellen hatte ihre Ansichten darüber, was für kleine Jungs gut war und was nicht. Aber das hieß nicht, dass der Weihnachtsmann sie teilen musste.
    Sie war so sehr in Gedanken versunken, dass ihr gar nicht auffiel, dass mit Charlie Manx etwas nicht stimmte – bis sie um sein Bett herumging, um zu dem Tropf zu gelangen. In diesem Moment stieß er nämlich einen schweren Seufzer aus, so als wäre er gelangweilt, und sie blickte auf ihn hinab und bemerkte, dass er sie ansah. Sie war so überrascht, ihn mit offenen Augen zu sehen, dass ihr beinahe die Blutkonserve aus der Hand gefallen wäre.
    Er sah furchtbar alt aus und auch sonst einfach ziemlich furchtbar. Sein großer kahler Schädel erinnerte an das Modell eines fremden Mondes, auf dem Altersflecken und dunkle Sarkome die Kontinente bildeten. Es war besonders schrecklich, dass von all den Männern auf der Dauerpflegestation – dem Gemüsebeet, wie es die Pfleger nannten – ausgerechnet Charlie Manx kurz vor Weihnachten die Augen öffnete. Manx hatte Kinder gemocht. In den Neunzigern hatte er Dutzende
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