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029 - Der tätowierte Tod

029 - Der tätowierte Tod

Titel: 029 - Der tätowierte Tod
Autoren: Dämonenkiller
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Der Muezzin rief die Gläubigen vom Minarett der Suleiman-Moschee zum letzten Gebet des Tages, als Paul Fisher gerade die Armenküche verließ. Was für einen Fraß man ihnen heute wieder vorgesetzt hatte! Aber er war froh, wenigstens etwas Warmes im Magen zu haben. Die Speisekarten der besseren Restaurants kannte er nur noch aus der Erinnerung. Wenn er zu Geld kam, dann setzte er es in Rauschgift und Drogen um. Aber auch das war schon ziemlich lange her. Zu lange. Er versuchte, nicht daran zu denken. Aber seine Gedanken kreisten ständig um das eine Thema. Er brauchte Stoff.
    Ihn fröstelte, und das kam nicht nur von der Kälte.
    Paul suchte sich einen vornehm gekleideten Griechen aus den Passanten heraus und folgte ihm. Vielleicht war der feine Pinkel leichtsinnig genug, in eines der dunklen Gäßchen der Altstadt von Istanbul einzubiegen. Aber dann warf der Grieche eine halbgerauchte Zigarette fort, und Paul gab die Verfolgung auf und begnügte sich mit der Kippe, die er aus dem Rinnsal fischte.
    Ein kurzer Blick auf die Marke. Yani Harman. So etwas Gutes hatte er schon lange nicht mehr geraucht.
    »Engländer?«
    Paul drehte sich um. Vor ihm erschien eine in einen zerschlissenen Umhang gehüllte Gestalt, die mit krummem Rücken dastand und sich vor Kälte die Hände rieb – oder auch in Vorfreude auf ein gutes Geschäft. Das Straßenlicht fiel auf ein von einem verfilzten Bart halb verdecktes Gesicht. Daraus stach eine stark gebogene Nase hervor. Tief in den Höhlen liegende Augen belauerten Paul.
    »Bei mir gibt's nichts zu holen. Hau ab!« fuhr Paul den Türken mit armenischem Einschlag an und stapfte weiter, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben.
    Es war erbärmlich kalt. Nieselregen fiel, der in der Nacht wahrscheinlich zu Glatteis werden würde. Im Januar war das in Istanbul keine Seltenheit.
    »Nichts holen. Geben«, hörte er wieder das gebrochene Englisch des Armeniers, der ihm nicht von der Pelle rückte. »Viel geben. Zweihundert Pfund.«
    Paul blieb interessiert stehen. Für Geld tat er vieles. Einmal hatte ihm eine ähnliche Type angeboten, für einen Fünfziger bei einer Privatveranstaltung aufzutreten – einer Pornoshow. Paul hatte aber Reißaus genommen, als er sah, daß er vor einer Gruppe seiner Landsleute auftreten sollte. Damals waren die Zeiten aber auch noch besser gewesen. Heute kannte er solche Skrupel nicht mehr.
    »Ich kenne dich«, sagte Paul zu dem Armenier. »Du treibst dich schon seit Tagen in der Armenküche der Suleiman-Moschee herum. Stimmt's?«
    Der andere hob nur die Schultern und sagte: »Zehntausend Pfund.«
    »Und was habe ich dafür zu tun?«
    »Tätowieren lassen.«
    »Du meinst wohl, das Tätowieren kostet zehntausend Pfund?«
    »Kriegst du«, behauptete der schmierige Kerl.
    Paul verbrannte sich an der Zigarettenkippe die Finger, inhalierte schnell noch einmal den Rauch und warf den Stummel fort.
    »An der Sache ist doch was faul«, stellte er fest.
    »Nichts faul. Nichts ungesetzlich«, versicherte der Kerl. »Mitkommen! Schnell!«
    Und er lief schon voraus. Er wußte, daß sein Opfer an der Angel zappelte. Wahrscheinlich hatte er Paul schon seit Tagen beobachtet und bemerkt, daß er auf dem letzten Loch pfiff.
    »Wohin?« wollte Paul wissen, während er ihm zögernd folgte.
    »Kapali Carsi – zum Großen Basar. Zum Tätowieren.«
    Der Armenier tauchte in der Menge unter, und Paul mußte einen Zahn zulegen, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Sie kamen in die Fuatpasa Caddesi, über die sich um diese Zeit ein wahrer Strom von Passanten wälzte. Auf der Fahrbahn reihte sich Auto an Auto. Bestimmt hatte es irgendwo gekracht. Ein wüstes Hupkonzert ertönte, das aber keineswegs zur Entflechtung der Verkehrsstauung beitrug, sondern das Chaos nur noch vergrößerte.
    Zehntausend Pfund! Türkische zwar nur – aber immerhin. Mit diesem Betrag konnte er Ginger und sich die ganze Woche über mit Stoff versorgen. Eine Woche Glückseligkeit. Zehntausend türkische Pfund. Damit könnte er sogar seinen Paß auslösen. Aber das war nicht so wichtig. Heroin benötigte er dringender. Ginger würde Augen machen. Sie war schon ganz krank.
    Sie erreichten den verbauten Basar. Hier ging es wie in einem Irrenhaus zu. Das aufdringliche Geschrei der Händler vermischte sich mit dem aufgeregten Geschnatter der Einheimischen und wenigen Touristen. Über das Stimmengewirr hinweg hörte man das Scheppern von handgehämmerten Kupfertöpfen und das Klingeln von Glöckchen, mit denen
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