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029 - Der tätowierte Tod

029 - Der tätowierte Tod

Titel: 029 - Der tätowierte Tod
Autoren: Dämonenkiller
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statt seiner Papiere einen russischen Paß gab, kein Bargeld überließ und ihm dazu noch drei Aufpasser zuteilte, die über jeden seiner Schritte mit Argusaugen wachten. Auf der Fahrt nach Istanbul waren die drei nie von seiner Seite gewichen; selbst wenn er die Toilette aufsuchte, hatte ihn einer von ihnen dorthin begleitet.
    Dorian hoffte, sich eines Tages bei Kiwibin für diese Behandlung revanchieren zu können. Er bekam langsam den Eindruck, daß Kiwibin kein ehrliches Spiel mit ihm trieb. Warum sonst brachten sie ihn nicht auf dem kürzesten Weg nach Wien?
    Vielleicht wäre es wirklich am klügsten gewesen, sich einfach abzusetzen und die britische Botschaft aufzusuchen. Dort würde man ihm schneller helfen. Aber abgesehen davon, daß er keine Papiere und kein Geld besaß, würde er an seinen drei Leibwächtern nicht vorbeikommen.
    Dorian hatte noch fast eine Stunde Zeit bis zu der Verabredung mit dem Archäologen. Er öffnete die Balkontür und trat hinaus.
    »Eine herrliche Aussicht, nicht wahr?« kam Anatol Petrows Stimme von links. Er lehnte dort lässig an der Wand und rauchte.
    Tatsächlich hatte man vom sechsten Stockwerk des Hotels einen eindrucksvollen Rundblick über Alt-Istanbul – vom Hafen im Goldenen Horn über die Galatabrücke, das Topkapi-Serail, die Hagia Sophia, die Blaue Moschee bis hin zum Marmarameer im Süden.
    »Wenn Sie es genau wissen wollen, Anatol, Sie verderben das ganze Panorama«, sagte Dorian verärgert. Und versöhnlicher fügte er hinzu: »Aber wenn Sie mir in der Bar einen Bourbon spendieren, könnten Sie wieder meine Sympathien gewinnen.«
    »Bedaure, Whisky geht nicht auf Spesen.«
    Dorian zog sich wütend auf sein Zimmer zurück und griff nach dem Telefonhörer. Er wählte die Nummer des Zimmerkellners, bestellte englische Zigaretten, wollte sich aber auch mit den besten türkischen zufriedengeben, falls englische nicht vorrätig waren, und eine Flasche Scotch – die Marke war ihm egal.
    Nicht viel später entstand auf dem Korridor vor seiner Tür ein Tumult. Er ging hinaus und sah Alexej Suslikow mit dem Zimmerkellner verhandeln.
    »Juri, was fällt Ihnen ein?« erregte sich der Agent. »Sagen Sie dem Mann, daß die Bestellung ein Irrtum war und er alles wieder mitnehmen soll.«
    Dorian tat aber das genaue Gegenteil und gestattete dem Kellner, das Tablett mit dem Whisky und den Zigaretten in seinem Zimmer abzustellen. Suslikows Gesicht hatte sich vor Zorn gerötet. Als Dorian nun noch von ihm verlangte, dem Kellner ein Trinkgeld zu geben, schien er einem Schlaganfall nahe, überwand sich dann aber doch dazu. Natürlich fiel der Betrag verschwindend gering aus.
    Dorian zog sich in sein Zimmer zurück, genehmigte sich einige Doppelte und paffte türkische Zigaretten, an deren Geschmack man sich gewöhnen konnte. Nachdem er auf diese Weise eine weitere Stunde totgeschlagen hatte, begab er sich in die Hotelhalle hinunter. Er war fast enttäuscht darüber, daß ihn auf dem Korridor keiner seiner Leibwächter erwartete. Kaum in der Halle angekommen, konnte er jedoch sogleich feststellen, daß man ihn keineswegs vergessen hatte. Gregor Stolowski saß nahe dem Ausgang und tat, als würde er Zeitung lesen.
    Die Archäologen standen noch immer wie bestellt und nicht abgeholt mit ihrem Gepäck herum. Eine Abordnung von ihnen machte dem Portier an der Rezeption die Hölle heiß. Dorian sah, daß Borowitkin unter ihnen war. Als sich der Archäologe umdrehte und auf ihn zusteuerte, gab Dorian ihm ein Zeichen. Borowitkin verstand den Wink.
    Dorian überlegte, wie er mit dem Archäologen sprechen konnte, ohne daß Stolowski es merkte. Während er durch die Halle schlenderte, in dem Bewußtsein, von dem Agenten beobachtet zu werden, stach ihm das Hinweisschild mit der Aufschrift Tuvalet ins Auge. Nun ja, die Toiletten waren nicht gerade der günstigste Ort für eine Verabredung, aber besser als gar nichts.
    Er richtete es so ein, daß er bei Borowitkin vorbeikam und raunte ihm auf Russisch zu: »In fünf Minuten auf der Toilette.«
    Er hörte noch den schwachen Einwand des Archäologen, ignorierte ihn aber und schlenderte dem Eingang zu. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, daß Stolowski die Zeitung zusammenfaltete und sich erhob.
    Der Türsteher wollte Dorian die Ausgangstür öffnen, doch er winkte ab. Draußen war es bereits dunkel geworden. Das Licht der Straßenbeleuchtung spiegelte sich im Asphalt. Es war ein naßkaltes, unfreundliches Wetter.
    »Fällt bei euch nie Schnee?«
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