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back to past - zurueck zu dir

back to past - zurueck zu dir

Titel: back to past - zurueck zu dir
Autoren: Sigrid Lenz
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Gabriel war nicht unbedingt ein Mann rascher Entschlüsse. Für gewöhnlich überlegte er lange und gründlich, bevor er eine Entscheidung traf. Er dachte nach, bevor er sich mit jemandem einließ, bevor er seinen Wohnort wechselte. Doch nicht in diesem Fall, nicht seit der Sache mit Matthias.
    Sobald ihm klar wurde, dass er die Stadt verlassen musste, dass sein Leben reif war für eine Veränderung, für einen klaren Schnitt, handelte er ungewohnt spontan. Er kündigte seine Wohnung, seinen Job und schrieb Bewerbungen. Nicht von ungefähr konzentrierte sich ein großer Teil von ihnen auf einen speziellen Landkreis. Aus diesem Grund wählte er die erste Praxis, die seine Bewerbung akzeptierte.
    Viel nahm er nicht mit. Zu viele dunkle Erinnerungen belasteten seine Habseligkeiten. Zudem hatte er ernsthaft vor, keinen Gedanken mehr an Matthias zu verschwenden. Nicht, nachdem der ihn enttäuscht und verletzt hatte. Nicht nur, dass Matthias ihn offen hinterging, ihn belog und ihm dafür noch Vorwürfe machte, hatte er in den letzten Wochen ihres Zusammenseins damit begonnen, ihn zusätzlich zu bedrohen. Hatte seine Faust gegen ihn erhoben und den Schlag erst im letzten Augenblick gegen die Wand gerichtet. Wenigstens hatte Matthias ihn auf diese Weise endgültig von dem naiven Vertrauen kuriert, das Gabriel gewohnt war, in die Menschen zu setzen. Vor allem in diejenigen, die er zu lieben glaubte.
    Von nun an würde er vorsichtiger sein, es langsamer angehen, sich Zeit lassen. Er würde Männer meiden, von denen er wusste, dass sie nicht gut für ihn waren. Und vor allem würde er darauf verzichten, sich gleich mit Haut und Haaren in eine Beziehung zu stürzen. Er war zu jung, nicht einmal dreißig. Sich festzulegen war ein Fehler, immer einer gewesen. Matthias war nicht der Erste, der ihm vorgeworfen hatte, zu anhänglich zu sein, zu viel zu erwarten. Und doch lag es in Gabriels Natur, oder hatte in dieser gelegen, zumindest bis jetzt.
    Dass er sich immer nach einer Bindung, Sicherheit, der Aussicht auf eine Zukunft gesehnt hatte, war vorbei. Jetzt brauchte er Zeit, um über alles nachzudenken, um mit Veränderungen zurecht und zur Ruhe zu kommen. Zeit und Abstand.
    Vielleicht war es dumm zurückzukehren, aber Gabriel fand keinen rationalen Grund, der dagegen sprach. Auch wenn seine Familie längst nicht mehr hier lebte, so hatte er doch seine Kindheit und den größten Teil seiner Jugend an diesem Ort verbracht. Zurückzukehren bot ihm gerade das Maß an Vertrautheit, das er zu benötigen glaubte, um sich wohlzufühlen. Vielleicht wünschte sich auch jeder insgeheim, am Ort seiner Kindheit zu beweisen, dass er sein Leben im Griff hatte.
    Gabriel sah sich in der fast noch vollkommen kargen Wohnung um und mit einem Mal wurde ihm deren Trostlosigkeit mit der Intensität bewusst, mit der er gezwungen war zu erkennen, dass die Stadt – seine Stadt – sich bis zur Unkenntlichkeit verändert hatte. Der Frust brach hervor, die Decke drohte, ihm auf den Kopf zu stürzen, und Gabriel ergriff kurz entschlossen Jacke und Schlüssel, bevor er die Tür hinter sich zuschlug.
    Draußen regnete es, war dunkel, und dennoch atmete er auf, als er die Wohnung verlassen hatte und frische Luft atmete.
    Die Gegend, in der er sich befand, war ihm fremd. Damals, vor langer und doch nicht allzu langer Zeit hatte er in einem anderen Viertel gewohnt, in einem, das kleine Gärten aufwies. Egal wie schlecht die gepflegt wurden, suggerierten sie doch einen Anflug von Familienleben, Nachbarschaft, vielleicht sogar Gemeinschaften. Nun lebte er nahe der Praxis, in einem Apartmentkomplex, der von anderen Apartmentkomplexen umgeben war. Trostlos, doch frei von Erinnerungen, sogar von denen, die er nicht aussperrte.
    Er lief und begann sich freier zu fühlen. Sein Atem ging leichter, je nasser sein Haar im Gesicht klebte, je schwerer er die Lederjacke auf seinen Schultern fühlte.
    Feine Regentropfen spiegelten das Licht der altmodisch schmiedeeisern geformten Straßenlaternen und eine Welle von Nostalgie durchflutete ihn, als er stehen blieb und zusah, wie glänzende Funken zur Erde fielen und in Dunkelheit versanken.
    ‚Sternenstaub‘, dachte er und war sich nicht sicher, woher die Erinnerung stammte. Er sah in die Höhe, ließ den Regen in sein Gesicht fallen, fing die Tropfen mit Lippen und Zunge, als wäre er noch einmal ein Kind. Hörte die warnende Stimme seiner Mutter, die ihm all die Gifte aufzählte, die der Mensch in den Kreislauf aus
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