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Auge um Auge

Auge um Auge

Titel: Auge um Auge
Autoren: Jack Higgins
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Für Tess, die meint, es wäre allmählich an der Zeit …

    AM ANFANG

    1

    Paul Rashid war einer der reichsten Engländer der Welt. Abgesehen davon war er zur Hälfte Araber. Kaum jemand hätte sagen können, welcher Teil seines genetischen Erbes einen größeren Einfluss auf sein Wesen hatte.
      Pauls Vater war der Führer der Rashid-Beduinen in der Provinz Hazar am Persischen Golf gewesen. Durch Herkunft und Tradition zum Soldaten bestimmt, hatte man ihn als jungen Mann an die königliche Militärakademie in Sandhurst geschickt, wo er bei einem Ball Lady Kate Dauncey begegnet war, der Tochter des Earl of Loch Dhu. Pauls Vater war reich und sah gut aus, so dass sich die beiden trotz der offenkundigen Hindernisse ineinander verliebten. Obgleich beide Elternpaare anfangs Bedenken hatten, heirateten sie; anschließend pendelte Pauls Vater zwischen England und seiner Heimat, wie es die Umstände erforderten. Im Lauf der Jahre gingen vier Kinder aus der Ehe hervor: Paul als Ältester, Michael, George und Kate.
      Die Kinder waren ungemein stolz auf die beiden Linien ihres Stammbaums. Aus Respekt gegenüber der illustren Geschichte ihrer omanischen Vorfahren sprachen sie fließend Arabisch und waren im Herzen echte Beduinen. Trotzdem war ihnen ihre englische Hälfte, wie Paul Rashid gerne betonte, genauso wichtig, und sie hüteten den Namen Dauncey und damit das Erbe einer der ältesten Familien Englands mit Leidenschaft.
      Die beiden Traditionen – die des britischen Mittelalters und die der Beduinen – vermischten sich in ihrem Blut und brachten eine Wildheit hervor, die besonders bei Paul zu Tage trat.
    Sichtbar wurde sie wohl am deutlichsten bei einem außergewöhnlichen Vorfall, der sich ereignete, als Paul, wie früher schon sein Vater, in Sandhurst war.
      Weil er ein paar Tage frei hatte, fuhr er nach Hause. Damals war Michael achtzehn, George siebzehn und Kate zwölf.
      Der Earl war an diesem Tag in London. Als Paul in Hampshire eintraf, saß seine Mutter in der Bibliothek von Dauncey Place und hatte blaue Flecke im Gesicht. Sie umarmte ihn schweigend, doch Kate sagte: »Er hat sie geschlagen, Paul. Dieser abscheuliche Mann hat Mummy geschlagen!«
      Paul wandte sich an Michael und fragte ruhig: »Was ist passiert?«
      »Fahrendes Volk«, erklärte sein Bruder. »Eine Gruppe hat sich am Wäldchen von Roundhay breit gemacht. Sie haben vier Wohnwagen und ein paar Pferde dabei. Ihre Hunde haben unsere Enten totgebissen, und da ist Mutter hingefahren, um mit ihnen zu sprechen.«
    »Ihr habt sie allein dort hingelassen?«
      »Nein, wir sind alle mitgefahren, sogar Kate. Die Männer haben uns ausgelacht, und als Mutter sie angefahren hat, hat der Anführer, ein aggressiver, riesiger Kerl, ihr ins Gesicht geschlagen.«
      Paul Rashids Gesicht war sehr bleich. Mit düsterem Blick betrachtete er Michael und George. »Dieses Vieh hat sich an unserer Mutter vergriffen, und ihr habt das zugelassen?« Er schlug beiden ins Gesicht.
      »Ihr habt zwei Herzen, das der Rashids und das der Daunceys. Jetzt werde ich euch zeigen, wie ihr euch beiden würdig erweisen könnt.«
      Seine Mutter packte ihn am Ärmel. »Bitte, Paul, mach keinen Ärger. Das ist es nicht wert.«
    »Nicht wert, meinst du?« Sein Lächeln war furchtbar. »Da drüben ist ein Hund, der eine Lektion verdient hat. Ich habe vor, ihm die nun zu erteilen.« Damit drehte er sich um und führte seine Geschwister hinaus.
      Die drei jungen Männer fuhren in einem Landrover zum Wäldchen von Roundhay. Paul hatte Kate verboten mitzukommen, doch als die anderen weg waren, sattelte sie ihre Lieblingsstute und folgte ihnen, indem sie quer über die Felder galoppierte.
      Die Wohnwagen waren zu einem Kreis zusammengestellt. In der Mitte brannte ein großes Feuer, um das sich etwa ein Dutzend Männer und Frauen scharten, dazu mehrere Kinder, vier Pferde und ein paar Hunde.
      Der große Mann, von dem Michael gesprochen hatte, hockte auf einer Kiste am Feuer und trank Tee. Als die drei jungen Männer zu ihm traten, hob er den Kopf.
    »Was wollt ihr hier?«
    »Wir kommen von Dauncey Place.«
      »Ach, der edle Herr höchstpersönlich?« Der Mann warf seinen Kumpanen lachend einen Seitenblick zu.
    »Ist aber noch ein ziemlicher Pimpf, was?«
      »Immerhin schlage ich Frauen nicht ins Gesicht. Ich versuche, wie ein Mann zu handeln, was man von dir nicht gerade sagen kann. Du hast einen Fehler gemacht, du Stück Dreck. Die Dame ist meine
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