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Im hohen Gras

Im hohen Gras

Titel: Im hohen Gras
Autoren: S King
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rachsüchtigen Geister aus dem Hotel war ihm bis nach Florida gefolgt. Einmal war er auf die Frau gestoßen, während sie in einer Badewanne gelegen hatte. Sie war herausgestiegen und hatte versucht, ihn mit ihren fischigen (aber schrecklich starken) Fingern zu erwürgen. Wenn er die Badezimmertür jetzt öffnete, würde sie das zu Ende bringen.
    Er ging einen Kompromiss ein, indem er das Ohr an die Tür legte. Zuerst war da nichts. Dann hörte er ein leises Geräusch.
    Tote Fingernägel, die an Holz kratzten.
    Auf nicht vorhandenen Beinen ging Danny in die Küche, stellte sich auf einen Stuhl und pinkelte ins Spülbecken. Dann weckte er seine Mutter und sagte ihr, sie solle nicht ins Bad gehen, weil da etwas Schlimmes drin sei. Sobald das erledigt war, ging er wieder ins Bett und verkroch sich unter der Decke. Dort wollte er für immer bleiben und nur aufstehen, um ins Spülbecken zu pinkeln. Nachdem er seine Mutter gewarnt hatte, war er nicht mehr daran interessiert, mit ihr zu sprechen.
    Seine Mutter kannte das bereits. Es war schon einmal geschehen, nachdem Danny sich in Zimmer 217 des Overlook gewagt hatte.
    »Aber mit Dick wirst du sprechen, ja?«
    In seinem Bett liegend, sah er zu ihr hoch und nickte. Seine Mutter ging ans Telefon, obwohl es vier Uhr morgens war.
    Am späten Nachmittag des nächsten Tages kam Dick. Er hatte etwas mitgebracht. Ein Geschenk.
    4
    Nachdem Wendy Dick angerufen hatte – sie hatte dafür gesorgt, dass Danny das mitbekam –, schlief Danny wieder ein. Obwohl er schon acht und in der dritten Klasse war, nuckelte er am Daumen. Es tat ihr weh, das zu sehen. Sie ging zur Badezimmertür und starrte sie an. Sie hatte Angst – Danny hatte ihr Angst gemacht –, aber sie musste aufs Klo, und sie brachte es nicht über sich, in die Spüle zu pinkeln wie er. Bei der Vorstellung, wie sie auf dem Rand der Spüle hocken würde, während ihr Hintern schwankend über dem Becken hing (auch wenn niemand da war, der zusehen konnte), rümpfte sie unwillkürlich die Nase.
    In der Hand hatte sie den Hammer aus ihrem kleinen Witwenwerkzeugkasten. Als sie den Knauf drehte und die Badezimmertür aufdrückte, hob sie ihn. Das Bad war natürlich leer, doch die Klobrille war heruntergeklappt. Wendy ließ sie nie unten, bevor sie zu Bett ging, weil sie wusste, dass Danny hereintappen würde. Nicht mal halb wach, würde er wahrscheinlich vergessen, das Ding hochzuklappen, und es beim Pinkeln vollspritzen. Außerdem roch sie etwas. Etwas Übles. Als wäre zwischen den Wänden eine Ratte krepiert.
    Sie tat einen Schritt hinein, dann noch einen. Sie sah eine Bewegung und fuhr herum, den Hammer gehoben, bereit zum Schlag, wer immer
    (was immer)
    sich hinter der Tür versteckt haben mochte. Aber es war nur ihr Schatten. Was, du hast Angst vor deinem eigenen Schatten, fragten manche Leute spöttisch, doch wer hatte mehr Recht dazu als Wendy Torrance? Nach allem, was sie gesehen und durchgemacht hatte, wusste sie, dass Schatten gefährlich sein konnten. Sie konnten Zähne haben.
    Im Bad war niemand, doch auf der Klobrille war ein Fleck und auf dem Duschvorhang noch einer. Scheißeflecken, dachte sie zuerst, aber die waren nicht gelblich violett. Sie sah genauer hin und erkannte kleine Stücke Fleisch und verweste Haut. Auf der Badematte war mehr von dem Zeug, in Form von Fußabdrücken. Die waren zu klein – zu zierlich –, um von einem Mann zu stammen.
    »O Gott«, flüsterte sie.
    Letztlich entschied sie sich doch für die Spüle.
    5
    Gegen Mittag trieb Wendy ihren Sohn aus dem Bett. Es gelang ihr, ihm etwas Suppe und ein halbes Erdnussbuttersandwich aufzudrängen, aber dann ging er wieder ins Bett. Er sprach immer noch nicht. Kurz nach fünf Uhr nachmittags traf Hallorann ein, in seinem inzwischen uralten (aber perfekt gepflegten und auf Hochglanz polierten) roten Cadillac. Wendy hatte am Fenster gestanden und Ausschau gehalten, so wie sie früher auf ihren Mann gewartet hatte, in der Hoffnung, dass Jack in guter Laune heimkam. Und nüchtern.
    Sie hastete die Treppe hinab und öffnete die Tür, gerade als Dick auf die Klingel mit der Aufschrift TORRANCE 2A drücken wollte. Er streckte die Arme aus, und sie warf sich sofort hinein. Am liebsten wäre sie mindestens eine Stunde in dieser Umarmung geblieben. Vielleicht sogar zwei.
    Er ließ sie los und hielt sie auf Armeslänge an den Schultern. »Gut siehst du aus, Wendy. Wie geht’s dem Kleinen? Sagt er wieder was?«
    »Nein, aber mit dir wird er reden. Und wenn
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