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Im hohen Gras

Im hohen Gras

Titel: Im hohen Gras
Autoren: S King
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er es am Anfang nicht laut tut, kannst du …« Statt den Satz zu vollenden, formte sie mit der Hand eine Pistole und richtete sie auf seine Stirn.
    »Nicht nötig«, sagte Dick. Bei seinem Grinsen wurde ein neues Paar falsche Zähne sichtbar. In der Nacht, als der Kessel explodiert war, hatte das Overlook ihm den Großteil seiner ersten Garnitur geraubt. Zwar hatte Jack Torrance den Schläger geschwungen, der Dicks Zähne ruiniert und dafür gesorgt hatte, dass Wendy nur noch leicht hinkend gehend konnte, aber sie wussten beide, dass es in Wirklichkeit das Overlook gewesen war. »Er hat viel Kraft, Wendy. Wenn er mich abblocken will, tut er es. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Außerdem wäre es besser, wenn wir uns mit dem Mund unterhalten. Besser für ihn. Jetzt erzähl mal, was passiert ist. Von Anfang an.«
    Nachdem Wendy das getan hatte, führte sie ihn ins Bad. Wie eine Polizistin, die den Tatort eines Verbrechens für die Spurensicherung bewahrt, hatte sie die Flecken dagelassen, damit er sie sehen konnte. Schließlich hatte tatsächlich ein Verbrechen stattgefunden. Eines gegen ihren Sohn.
    Dick betrachtete alles lange, ohne etwas anzufassen, dann nickte er. »Sehen wir mal nach, ob Danny sich erhoben hat.«
    Das war zwar nicht der Fall, aber Wendy wurde trotzdem leichter ums Herz, denn als Danny sah, wer neben ihm auf der Bettkante saß und ihn an der Schulter rüttelte, trat ein freudiger Ausdruck auf sein Gesicht.
    (he, Danny, ich hab dir was mitgebracht)
    (aber ich hab doch gar nicht Geburtstag)
    Wendy beobachtete die beiden und wusste, dass sie miteinander sprachen, aber nicht, worüber.
    »Jetzt steh mal auf, Kleiner«, sagte Dick. »Wir gehen runter zum Strand.«
    (Dick sie ist zurückgekommen Mrs. Massey aus Zimmer 217 ist zurückgekommen)
    Dick rüttelte ihn noch einmal an der Schulter. »Sag’s laut, Dan. Du machst deiner Mutter Angst.«
    »Was hast du denn mitgebracht?«, fragte Danny.
    Dick strahlte. »Besser so. Ich will dich nämlich hören, und Wendy will das auch.«
    »Ja.« Mehr wagte sie nicht zu sagen. Sonst hätten die beiden das Zittern in ihrer Stimme gehört und sich Sorgen gemacht. Das wollte sie nicht.
    »Während wir draußen sind, solltest du wohl das Badezimmer putzen«, sagte Dick zu ihr. »Hast du Küchenhandschuhe?«
    Sie nickte.
    »Gut. Zieh sie an.«
    6
    Bis zum Strand waren es zwei Meilen. Rund um den Parkplatz standen geschmacklose Buden, in denen Gebäck, Hotdogs und Souvenirs verhökert wurden, doch jetzt zum Ende der Saison war nirgendwo viel los. Die beiden hatten den Strand fast für sich allein. Auf der Herfahrt hatte Danny sein Geschenk – ein längliches Päckchen, ziemlich schwer und in Silberpapier verpackt – auf dem Schoß gehalten.
    »Du darfst es aufmachen, nachdem wir uns ein wenig unterhalten haben«, sagte Dick.
    Sie gingen am Rand der Wellen entlang, wo der Sand hart war und glänzte. Danny ging langsam, weil Dick schon ziemlich alt war. Irgendwann würde er sterben. Vielleicht sogar bald.
    »Ich werd’s schon noch ein paar Jahre schaffen«, sagte Dick. »Darum brauchst du dir keine Sorgen machen. Und jetzt erzähl mir, was heute Nacht passiert ist. Lass nichts aus.«
    Es dauerte nicht lang. Schwer wäre es allerdings gewesen, die richtigen Worte zu finden, den Schrecken zu erklären, den er jetzt spürte, und das erstickende Gefühl einer Gewissheit, die sich damit verband: Da sie ihn nun gefunden hatte, würde sie nie wieder verschwinden. Aber weil es sich um Dick handelte, brauchte er keine Worte.
    »Sie wird wiederkommen. Das weiß ich. Sie wieder immer, immer wiederkommen, bis sie mich geschnappt hat.«
    »Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben?«
    Der Themawechsel überraschte Danny, doch er nickte. Es war Hallorann gewesen, der ihn und seine Eltern am ersten Tag durch das Overlook geführt hatte. Das schien ewig her zu sein.
    »Und weißt du noch, wie ich das erste Mal in deinem Kopf gesprochen habe?«
    »Na klar.«
    »Was hab ich da gesagt?«
    »Du hast mich gefragt, ob ich mit dir nach Florida will.«
    »Genau. Wie hat sich das angefühlt? Zu wissen, dass du nicht mehr allein warst? Dass du nicht der Einzige bist?«
    »Das war toll«, sagte Danny. »Richtig toll.«
    »Und ob«, sagte Hallorann. »Und ob es das war!«
    Schweigend gingen sie eine Weile weiter. Kleine Vögel – Dannys Mutter nannte sie Piepmatze – rannten in die Wellen hinein und wieder heraus.
    »Kam es dir jemals komisch vor, dass ich gerade dann aufgetaucht
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