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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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bessere Zeiten nahe schienen.
    Es war kein beruhigender Gedankengang. Auch die biologischen Wissenschaften befanden sich in schlechter Verfassung. Die großen Hoffnungen, die Simon Percell und andere Gentechniker zu Beginn des Jahrhunderts beflügelt hatten, waren vor mehr als einem Jahrzehnt in einer Serie von Skandalen zusammengebrochen, aus der nur eine gleichmütige pharmazeutische Industrie und ein paar kleine Außenseiter wie Saul halbwegs ungeschoren hervorgegangen waren.
    Und auf Erden machten verschärfte Bestimmungen und verstärkte Überwachung diesen Außenseitern das Leben zunehmend schwer – einer der Gründe, daß er an dieser Expedition teilnahm. Ein Exil in Raum und Zeit war zweifellos einigen der Alternativen vorzuziehen, die er hatte auf sich zukommen sehen.
    »Wir werden den Virus TR-3-APZX-471 nehmen«, erklärte Matsudo selbstzufrieden. »Sind Sie einverstanden, Saul?«
    Saul glaubte bereits einen Niesreiz zu verspüren. »Eine harmlose kleine Varietät, deren Anmaßung jedoch nicht verfehlen wird, Sie zu erheitern«, murmelte er.
    »Wie bitte?«
    »Hat nichts zu sagen«, sagte er verdrießlich. »Als offizieller Hüter kleiner Tiere werde ich Sorge tragen, daß Sie bis morgen eine frisch ausgebrütete Kultur dieses lästigen Ungeziefers erhalten.« Er drückte eine Taste, und das Verzeichnis verschwand vom Bildschirm.
    Unterstützt durch die minimale Schwerkraft, schwang sich Matsudo mühelos auf den Tisch und blickte seufzend auf seine Hände. Saul sah ihm an, daß er im Begriff war, sich in Erörterungen allgemeiner Lebensphilosophie zu ergehen. Im Laufe ihrer langen gemeinsamen Reise hatten sie ungezählte Schachpartien gespielt und ihre Ansichten über die Welt ausgetauscht, aber keinem von ihnen war es je gelungen, den anderen in irgendeiner Frage zur eigenen Ansicht zu bekehren.
    »Was hat sich nicht alles geändert, seit wir Medizin studierten! Wir wurden dazu erzogen, alle Krankheitserreger zu bekämpfen und wenn möglich vom Angesicht der Erde zu tilgen. Heutzutage kultivieren und gebrauchen wir sie. Sie sind unsere Werkzeuge.«
    Saul nickte. Heutzutage war es nicht die geringste unter den Pflichten eines Arztes, durch die sorgfältige Verabreichung eben dieser Krankheitserreger Herausforderungen der körpereigenen Abwehr zu schaffen.
    »Das Immunsystem des Patienten wird gekräftigt und geübt, damit es die Aufgaben erfüllen kann, denen die Medizin nicht gewachsen ist. Es ist ohne Zweifel eine bessere Methode, Akio, als an Symptomen herumzukurieren, wie wir es mit unseren Medikamenten meist getan haben. Ich wünschte nur, Sie würden einsehen, daß meine Cyanuten Teil des gleichen Fortschritts sind.«
    Matsudo verdrehte die Augen zum Himmel. Sie hatten dieses Thema viele Male erörtert.
    »Ich bedaure, daß ich nicht zustimmen kann, Saul. In einem Fall lehren wir den Körper, seine eigenen Abwehrkräfte zu gebrauchen und abzustoßen, was fremd ist. Sie aber beschwatzen ihn, einen Eindringling aufzunehmen, für alle Zeit!«
    »Eine ungeheuer große Zahl der in einem menschlichen Körper lebenden Zellen gehört zu symbiotischen Lebensformen – Darmbakterien, Follikelreiniger. Sie helfen uns, wir helfen ihnen.«
    Matsudo wedelte abwehrend mit der Hand. »Ja, ja, das kennen wir. Ich weiß, Sie sehen uns nicht als Individuen, Saul, sondern als große, zusammenwirkende Ameisenhaufen verschiedener Arten.« Seine Stimme hatte eine gewisse Schärfe, die Saul früher nicht herausgehört zu haben glaubte. Und Übertreibung war gewöhnlich nicht Matsudos Stil.
    »Akio…«
    Aber der andere ließ sich nicht unterbrechen. »Aber nehmen wir ruhig einmal an, Sie hätten recht, Saul. All diese Organismen, die unsere Körper mit uns teilen und mehr oder weniger nützliche Funktionen darin erfüllen, sind im Laufe von Jahrmillionen zu Symbionten geworden. Das ist etwas völlig anderes als praktisch von heute auf morgen gentechnisch zusammengeschusterte Mikroben, über deren langfristige Mutationsfähigkeit nichts bekannt ist, in ein so fein ausbalanciertes Gleichgewicht einzuführen.«
    Saul errötete ein wenig. Er überlegte, ob er noch einmal erklären solle, daß die Cyanuten Abkömmlinge von Einzellern waren, die seit Urzeiten friedlich im Menschen gelebt hatten. Aber er wußte nur zu gut, was Akio antworten würde. Nach allen Veränderungen, die durch gentechnische Manipulation an der Lebensform vorgenommen worden waren, handelte es sich bei den Cyanuten um ein neues Lebewesen, das von seinen
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