Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
Vom Netzwerk:
und festgestellt, daß mehr als drei Viertel der zum menschlichen Umkreis gehörenden pathogenen Organismen bereits ausgestorben sind. Höchste Zeit, die Immunsysteme der Leute mit einer neuen Herausforderung wachzurütteln.«
    Saul seufzte. »Sie sind der Chef.« Tatsächlich sollte das gesamte wissenschaftliche Personal der biomedizinischen Abteilung über Maßnahmen zur Kräftigung des Immunsystems beschließen, aber wenn er Akio daran erinnerte, würde es den Mann nur beleidigen. Das Verfahren war ohnehin eine Routineangelegenheit.
    Aber Sauls Nase juckte bereits in unfroher Erwartung.
    Er wandte sich zur Bibliothekskonsole und gab die Kodenummer ein. Auf dem Bildschirm erschien eine Seite voller Daten vor schwarzem Hintergrund.
    Saul deutete mit einem Kopfnicken zu der grün leuchtenden Beschriftung. »Da steht Ihnen eine hübsche Auswahl bösartiger Erreger zur Verfügung, Doktor. Mit welcher Seuche möchten Sie Ihre Patienten infizieren? Wir haben Windpocken, Masern, Röteln, Mumps…«
    Matsudo winkte ab. »Nichts Drastisches. Wenigstens nicht so frühzeitig.«
    »Nein? Nun, dann gibt es Blasengrind, Fußpilz…«
    »Um Himmels willen, Saul! In dieser Feuchtigkeit? Bevor das Stollensystem im Kometenkern fertiggestellt und die Lufttrocknungsanlage installiert ist? Sie wissen, wie sehr man Pilzbefall an Bord eines Raumschiffs fürchtet. Cruz würde uns die Hammelbeine langziehen…«
    Er brach ab und lächelte pikiert. »Ha ha. Sehr komisch, Saul. Sie wollen mich nur zum Besten haben.«
    Saul kannte Matsudo seit vielen Jahren von wissenschaftlichen Kongressen und durch Veröffentlichungen, doch war ihre Bekanntschaft in früherer Zeit eher flüchtig gewesen, und noch immer war ihm manches an dem Mann rätselhaft. Warum, zum Beispiel, hatte er sich zur Teilnahme an dieser Expedition freiwillig gemeldet? Welchem der Typen, die bereit waren, Heimat, Familie und Karriere aufzugeben, dreiundsiebzig von den achtundsiebzig Jahren der Expeditionsdauer im gekühlten Tiefschlaf zuzubringen und schließlich in eine fremd gewordene Welt zurückzukehren, konnte man Akio zuordnen? War er ein Idealist, der Kapitän Miguel Cruzs Traum von einer für die ganze Menschheit wichtigen Mission folgte? Oder war er ein Verbannter, ein Flüchtling, wie so viele Teilnehmer an diesem Unternehmen?
    Vielleicht ist er, wie ich, ein wenig von beidem, dachte Saul.
    Matsudo fuhr sich durch das glänzende schwarze Haar, das dicht wie das Haar eines Jungen war. »Suchen Sie mir einen Schnupfenvirus aus, seien Sie so gut, Saul. Etwas, was die Immunsysteme der Leute hinreichend herausfordern kann, um ihre Antikörperproduktion in Gang zu halten. Sie brauchen es nicht einmal zu merken, wenn es nach mir geht.«
    Saul gab eine Kodenummer ein, und eine neue Seite erschien auf dem Bildschirm. »Der Kunde hat immer recht«, antwortete er. »Und Sie haben Glück! Wie es scheint, haben wir achtzig Varietäten von grippalen Infekten auf Lager.«
    »Na, ich lasse mich überraschen«, sagte Matsudo. Dann aber zog er die Stirn in Falten und hob beide Hände. »Nein! Wenn ich es genau bedenke, wähle ich lieber selbst! Ich möchte nicht, daß Sie welche von Ihren experimentellen Ungeheuern loslassen, ganz gleich, was Sie über die Wunder der Symbiose sagen!«
    Saul machte ihm Platz, und Akio beugte sich vor und überflog die Liste der verfügbaren Viren, wobei er kaum hörbar vor sich hin murmelte. Offenbar hatte er wieder seine Kontaktlinsen vergessen.
    Er mochte zwanzig Zentimeter größer sein als sein Großvater, dachte Saul, und doch war ihm Veränderung suspekt. Ein Wissenschaftler, dabei aber zu konservativ, um sich durch eine Hornhautoperation von seinem Sehfehler befreien zu lassen. Was war denn aus den innovationsfreudigen, zukunftshungrigen Japanern früherer Zeiten geworden?
    Was das anbelangte, konnte man geradeso gut fragen, was aus Israel geworden war, seinem eigenen Heimatland. Wie hatten die Abkömmlinge der Negev-Pioniere, deren Militärmaschine jahrzehntelang den Nahen Osten in Atem gehalten hatte, so tief in Aberglauben und Borniertheit versinken können? Was hatte nüchterne Sabras in verwirrte Schafe verwandelt, die sich von fanatischen Leviten und Salawiten vor den Karren spannen ließen?
    Vielleicht waren diese Rätsel Teil eines anderen, dem Saul auf der Spur zu sein glaubte: der Ausbreitung einer allgemeinen Hoffnungslosigkeit unter der Menschheit, obwohl nach dem Ende eines Jahrhunderts der Verwüstungen und des Kulturverfalls
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher