Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
Vom Netzwerk:
 
1

----
CARL
     
     
    Kato starb als erster.
    Er hatte die Baumaschinen gewartet – selbststeuernde Roboter, die auf der staubigen grauen Eisdecke des Kometen Gittermasten errichteten.
    Von Carls Standort auf einer ungefähr einen Kilometer entfernten Anhöhe war Katos Schutzanzug ein orangefarbener Punkt inmitten der schwerfälligen grauen Geräte.
    Nicht weit von Kato und dem Nordpol des Kometen standen bereits acht dünne Gittermasten, die zusammen eine Art Zeltdach oder Pyramide bildeten. Wo ihre Spitzen sich vereinten, ruhte die Parabolantenne des Mikrowellenbohrers wie eine umgestülpte Schüssel. Kato arbeitete hundert Meter entfernt, unbekümmert um die wütende Energie, die sich dort in das Eis fraß.
    Carl hatte oft gedacht, daß der Bohrer in seinem Gestell einer grotesken, langbeinigen Spinne gleiche. Aus dem Bohrloch darunter schossen in kurzen Abständen Dampfausbrüche.
    Als grübe sie geduldig nach Beute, spie die Spinne unsichtbare Mikrowellen in Abständen von fünf Sekunden in den Schacht. Augenblicke nach jedem Energiestoß schoß ein Dampfstrahl aus dem Loch, vermischt mit der gelblichblauen Flamme erhitzter Gase. Der Dampfstrahl wurde von Abweisblechen in sechs weißen Fahnen seitwärts abgelenkt, bevor er den Mikrowellensender erreichen konnte.
    Dieser war seit Tagen am Werk und bohrte mit elektromagnetischen Zentimeterwellen einer Frequenz, die Kohlendioxidmoleküle zerlegte, geduldig Schächte in den Kometenkern.
    Bei jedem Impulsstoß spürte Carl ein leises Zittern unter den Füßen. Der Horizont aus altem grauen Eis krümmte sich in alle Richtungen. Zutageliegende Schichtenköpfe aus Clathratenschnee verschiedener Einschlußverbindungen erhoben sich reinweiß aus der grauen, rostfleckigen Oberfläche.
    Kato und seine Maschinen waren durch im Eis verankerte Leinen gesichert. Die geringe Schwerkraft des Kometenkopfes vermochte sie nicht am Boden zu halten, wenn sie sich bewegten. Am schwarzen Himmel über ihnen wehten dünne Fahnen von Eiskristallen und gefrorenen Gasen, Kato überwachte die gefährliche Arbeit seiner Robotermaschinen aus Stahl und Keramik. Er hatte dem Bohrgestell den Rücken zugekehrt.
    Carl blickte gerade von seiner eigenen Arbeit auf, als es geschah.
    Der Bohrer verrichtete methodisch seine Arbeit und verwandelte Eis in Dampf, der bald nach dem Austritt ins Vakuum zu Eiskristallen gefror. Plötzlich löste sich einer der tragenden Gittermasten in einer lautlos aufstiebenden Schneewolke aus seiner Verankerung, der Einfallswinkel der Mikrowellen veränderte sich und brachte Kato für eine Sekunde in den Wirkungsbereich. Das war genug.
    Ehe Carl zu einer Reaktion fähig war, sah er Kato eine ruckartige Wendung machen, als wollte er davonlaufen. Später wurde ihm klar, daß es des Mannes kurzer Todeskampf gewesen sein mußte.
    Der Strahl des Bohrers riß das Oberflächeneis auf, und leuchtende gelbe und orangenfarbene Gas- und Dampfschleier stoben in den schwarzen Himmel. Geräuschlos.
    Der unsichtbare Strahl wanderte in unregelmäßiger Bahn weiter über die Eisfläche und tastete mit dem Nachgeben eines weiteren Trägers auf den nahen Horizont zu. Carl tastete nach der Fernbedienung, zog die Schutzkappe ab und drückte den Notschalter. Alle Maschinen und Geräte auf dieser Seite des Kometenkerns wurden abgeschaltet. Der Mikrowellenfinger hörte auf, seine Spur auf das Eis zu schreiben.
    Das Bohrgerüst begann zusammenzubrechen. Der Halleysche Komet, auf dem jeder Körper, bedingt durch die vergleichsweise geringe Masse, nur ein Zehntausendstel dessen wiegt, was er auf der Erdoberfläche wiegen würde, hätte den Rückstoßeffekt des arbeitenden Mikrowellengenerators nicht ausgleichen können, aber ohne den Strahlungsdruck machte sich die schwache Anziehungskraft des Kometenkerns bemerkbar. Das Gerüst wankte und fiel wie in Zeitlupe beklemmend langsam in sich zusammen.
    »Was ist los?« dröhnte eine Stimme aus dem integrierten Funksprechgerät im Helm. »Ich hab keinen Saft mehr.«
    Das mußte Jeffers sein. Andere Stimmen plapperten dazwischen.
    »Helft mir! Kato ist verletzt.«
    Carl schoß über das schmutziggraue Eis dahin. Seine Impulsdüsen zündeten sicher und rasch, als er zur Unfallstelle startete. Jahrelange Übung verlieh seinen Bewegungen im Zustand annähernder Schwerelosigkeit eine natürliche Anmut, die unbewußt jede Vergeudung von Energie vermied. Die Überquerung von Halleys runzligem Gesicht war ein Dahinsegeln über eine gefrorene graue See unter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher