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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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gab zahlreiche andere Punkte, die der Überprüfung bedurften und mit denen die automatische Phase der Testreihe programmiert war. Zu diesen gehörte eine Reproduktionsrate, die sich selbst in Grenzen hielt, Akzeptanz durch das menschliche Immunsystem, pH-Empfindlichkeit, ein gefräßiger Appetit auf andere mögliche Gifte…
    Es war nicht so sehr ein Katalog von Eigenschaften als vielmehr eine Litanei von Herausforderungen, denen man sich stellen und die bestanden werden mußten. Saul verspürte berechtigten Stolz auf seine kleine Gruppe zu Haus auf der Erde, die Vorurteile, bürokratische Hindernisse und abergläubische Vorstellungen hatte überwinden müssen, um diese Arbeit zu leisten. Am Ende aber hatten sie ein Wunderding geschaffen – einen neuen menschlichen Symbionten.
    Cyanuten sollten von nun an bleibende Bestandteile aller Expeditionsteilnehmer für den Rest ihres Lebens sein… und vielleicht, so wagte er sich vorzustellen, aller Menschen, nicht anders als die Darmflora, die dem Menschen von jeher geholfen hatte, seine Nahrung zu verwerten, und wie die Mitochondrien in seinen Zellen, die Zucker für ihn verbrannten und in nutzbringende Energie umwandelten.
    »Wer kann sich mit dir vergleichen, o Herr…«, flüsterte er in schiefmäuliger Verspottung seiner unausrottbaren Neigung zu allzu menschlicher Hybris. Vor langer Zeit schon war er zu dem Schluß gelangt, daß Gott und er Geduld miteinander haben mußten. Vielleicht war das Universum für keinen von ihnen zweckdienlich eingerichtet.
    Er beobachtete die Versuchsergebnisse am Bildschirm – alle wie erwartet und nahezu vollkommen –, bis ein leises Quietschen hinter ihm verriet, daß jemand die Tür zum Labor öffnete.
     
    »Ah! Soso! Wir ärgern wieder unsere Haustiere, wie? Können Sie die armen Dinger nicht in Ruhe lassen, Saul?«
    Er brauchte nicht aufzusehen, um die Stimme Akio Matsudos zu erkennen. »Hallo, Akio.« Er hob die Hand, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. »Nur eine Überprüfung. Und alles sieht gut aus, danke. Sind es nicht liebenswerte Tierchen?«
    Er mußte lächeln, als der hagere japanische Arzt mit raschen Bewegungen an seine Seite kam und ihm einen säuerlichen Blick zuwarf. Der Chef der biologisch-medizinischen Abteilung hatte aus seiner wahren Meinung von Sauls Geschöpfen niemals einen Hehl gemacht. Sie waren notwendig, für den Erfolg ihrer achtundsiebzigjährigen Reise sogar lebenswichtig. Aber dem armen Akio war es nie gelungen, ihre ästhetische Seite zu sehen.
    Matsudo winkte ab. »Bitte erinnern Sie mich nicht an die Infektion, die meine Körperflüssigkeiten durchschwärmt. Wenn Sie mir nächstes Mal Parasiten injizieren wollen…«
    »Symbionten«, berichtigte Saul eilig.
    »… gegen die mein Körper keine Immunreaktion mobilisieren kann, werde ich es vorziehen, den Einschnitt selbst zu machen – von links nach rechts!« Und er machte die Bewegung des Harakiri.
    Saul grinste, als Matsudos strenge Maske in kichernder Heiterkeit aufbrach. Es klang wie »Chi-chi-chi« und wurde von der Besatzung unter Deck bereits als eine Art Signal imitiert. Akio machte häufig solche lockeren Scherze über die Traditionen des alten Japan.
    Vielleicht war es vergleichbar mit Sauls Neigung, jiddische Brocken in seine Sprache einzustreuen, obwohl er sich erst seit einem Jahrzehnt mit dem Idiom beschäftigte – weil er fand, daß es die rechte Sprache für Verbannte sei.
    »Was haben Sie mir gebracht, Akio?« fragte er mit einer Kopfbewegung zu dem dünnen Blatt in der Hand seines Besuchers.
    »Ach ja. Weil wir gerade vom Immunsystem sprachen: Ich bin gekommen, Sie zu bitten, mit mir die Liste der Reizmittel durchzugehen, Saul. Ich glaube, es ist an der Zeit, eine abgeschwächte Krankheit in das Ventilationssystem einzugeben.«
    Saul machte ein Gesicht. Solche Aktionen waren ihm verhaßt.
    »So frühzeitig? Sind Sie sicher? Vier Fünftel der Expeditionsteilnehmer liegen doch noch gefroren an Bord der Sekanina und der anderen Transporter. Wach sind gegenwärtig nur die Besatzung der Edmund Halley und die Mitglieder der Arbeitstrupps.«
    »Ein Grund mehr«, erwiderte Matsudo. »Seit mehr als einem Jahr leben dreißig Raumfahrer zusammen in der Enge dieses Schiffs. Weitere vierzig sind seit zwei oder mehr Monaten aus den Kühlfächern. Alle Erkältungen und kleineren Viruserkrankungen, die sie von der Erde mitbrachten, haben inzwischen ihren Gang genommen. Ich habe eine Inventur der Erkrankungen und ihrer Erreger vorgenommen
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