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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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Schließlich war nicht zu erwarten, daß Saul Lintz sie beißen würde. Warum also dieses backfischhafte Herzklopfen?
    Der Mann übte einen Zauber auf sie aus, den sie sich selbst nicht erklären konnte. Sie empfand mehr für ihn, als sie seit Jahren für jemand empfunden hatte. Lag es an seiner Welterfahrenheit? Oder am Ausdruck seiner dunklen Augen, in denen sie Beharrlichkeit und ruhige Stärke zu sehen glaubte? Sie wußte es nicht.
    Seit sie aus dem Kühlfach gekommen war, hatte sie gehofft, daß er etwas sagen, einen ersten Schritt tun werde. Um so frustrierender war die bald darauf folgende Erkenntnis gewesen, daß er einfach anzunehmen schien, eine Art Vaterfigur für sie zu sein. Damit erhob sich für Virginia die Frage, ob sie den ersten Schritt tun sollte.
    Das Zögern vor der Tür dauerte an, bis sie sich lächerlich vorkam. Es würde so berechnend und abgeschmackt aussehen, wenn sie jetzt bei ihm hineinplatzte. Und was sollte sie sagen?
    Später würden sich noch genug Gelegenheiten bieten, etwas zu arrangieren, was weniger beabsichtigt wirken würde. Schließlich hatten sie genug Zeit.
    Das war ein überzeugendes Argument. Sie machte kehrt und ging, ohne den Summerknopf berührt zu haben. Wenn sie sich auf Menschen doch nur halb so gut verstünde wie auf Maschinen!
    Als sie durch den Korridor weiterging, fiel ihr an verschiedenen Einzelheiten auf, wie sehr die Edmund Halley während des vergangenen Jahres gealtert war. Die Korridore glänzten nicht mehr. Die farbkoordinierten Wandverkleidungen hatten ihre Frische verloren und sich stellenweise gelöst, zeigten da und dort sogar blasige Aufwerfungen. Das Schiff hatte diese Reise nicht gerade in der Blüte seiner Jugend angetreten, und kein Raumschiff seiner Größe hatte jemals so lange beschleunigen müssen. Die Anforderungen an das Material waren allenthalben sichtbar.
    Virginia redete sich gern ein, daß nichts sie überraschen könne, doch als sie sich der nächsten Leiter näherte, blieb sie stehen und sperrte die Augen auf. Konnte es sein, daß es schon so schlimm war?
    Aus einer Belüftungsöffnung tropfte Kondenswasser und rann die Wand herab bis zum Boden, wo es sich unter der Einwirkung der Corioliskraft seitwärts verteilte. An den nassen Stellen hatte sich schleimiger dunkelgrüner Algenbewuchs ausgebreitet.
    Mißbilligend schürzte sie die ein wenig wulstig geratenen Lippen, ging an der moderig riechenden Stelle vorbei und erstieg eine feuchte Leiter zur Nabe. Sie beschloß der Instandhaltungsabteilung von ihrer Beobachtung Meldung zu machen. Es war freilich schwer zu glauben, daß sie die Stelle als erste entdeckt hatte.
    Die Leitersprossen drückten sich gegen sie, als sie sich rechtwinklig zum rotierenden Rad bewegte. Der wie eine Speiche angelegte Durchgang war trübe erhellt, feucht und ziemlich übelriechend. Nur die Hälfte der in die Decke eingelassenen Lichtquellen war hier in Betrieb, und der Aufstieg gemahnte an die Inspektion einer städtischen Abwasserbeseitigung.
    Es war gut, daß die Wohnbereiche im Inneren des Kometenkerns vor der Fertigstellung standen, dachte sie. Dieser knarrende Seelenverkäufer hatte eine gründliche Überholung nötig.
    Für die vierhundert Expeditionsmitglieder würde es während der nächsten fünfundsiebzig Jahre wenig genug zu tun geben. Die Erforschung der Geheimnisse eines größeren Kometenkerns; die Erprobung der Geräte, vor allem der großen Rückstoßgeräte zur Kursbeeinflussung. Danach stand erst wieder in dreißig Jahren eine arbeitsreiche Zeit bevor, wenn der Halleysche Komet sich dem sonnenfernsten Punkt seiner Bahn näherte und Virginia helfen würde, die Berechnungen für das wichtige Große Manöver vorzubereiten; dann die lange Rückreise zum Jupiter und dann heimwärts.
    Die Zwischenzeit würden fast alle Expeditionsteilnehmer in totenähnlichem Kältetiefschlaf verbringen, während sich daheim die Gehälter auf den Konten ansammelten. Zur gleichen Zeit konnten die kleinen, abwechselnd diensttuenden Notbesatzungen nach und nach das Schiff überholen.
    Sieben Jahrzehnte sollten reichen. Bis zum nächsten feurigen Sturz des Kometen ins innere Sonnensystem mußte dieser alte Kahn soweit hergerichtet sein, daß er sie wieder zur Erde zurückbringen konnte.
    Als sie Hand über Hand weiterstieg, fühlte Virginia ihr Gewicht schwinden, je näher sie den kollernden Lagern kam, wo wieder die Schwerelosigkeit des Weltraums herrschte. Die vier Speichen-Tunnels trafen in einem kleinen,
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