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Illusion der Weisheit

Illusion der Weisheit

Titel: Illusion der Weisheit
Autoren: Gianrico Carofiglio
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bestimmt, wer ich wirklich war, was ich wollte und weshalb sie mir antworten sollte.
    Eine dumpfe, grimmige Lust, sie fertigzumachen, es ihr irgendwie heimzuzahlen, stieg in mir auf. Weil sie mir nicht die Antworten gab, die ich wollte, weil sie nicht gut Italienisch sprach, weil sie da war und zusehen konnte, wie mein Frust wuchs. Ich zwang mich, ruhig zu klingen.
    »Können Sie mir sagen, in welcher Wohnung Natalia wohnt?«
    »Hinten, kleines Haus, kleiner als meins.«
    »Wollte jemand zu ihr in die Wohnung, seit Sie sie nicht mehr gesehen haben?«
    »Ich niemand gesehen. Wohnung immer zu, Rollläden, alles.«
    »Sie haben nicht zufällig einen zweiten Schlüssel?«
    Jetzt sah sie mich unverhohlen feindselig an.
    »Du Carabiniere?«
    »Nein, nein. Wenn Sie einen Schlüssel hätten«, ich hielt inne, weil sie die Konjunktive und das Sie bestimmt nicht verstand, »wenn du einen Schlüssel hättest und wir nur einen Blick reinwerfen könnten …«
    »Ich nicht Schlüssel habe.«
    »Oder wenn du den Besitzer kennst …«
    »Du besser gehen, weil jetzt kommen die.«
    Die waren zwei Kerle, die während unserer Unterhaltung unbemerkt aufgetaucht waren. Albaner, dachte ich, ehe einer der beiden mich ansprach.
    »Was bist du für ’n Arsch?«
    Was antwortet man in so einer Situation auf eine solche Frage? Später fielen mir zahlreiche brillante Antworten ein. Doch in dem Moment stammelte ich nur, dass ich ein Mädchen suche. Für die Mädchen müsse ich abends wiederkommen, jetzt solle ich Leine ziehen. Sofort.
    »Hören Sie, ich suche kein Mädchen, um … Na ja … Ich will keinen Verkehr.« Genauso drückte ich mich aus: Ich will keinen Verkehr. »Ich suche ein Mädchen namens …«
    Die Ohrfeige kam völlig unvermutet. Mit der flachen Hand, auf Wange und Ohr. Ich war seit dem Gymnasium nicht mehr geschlagen worden und hatte vergessen, wie demütigend es war.
    »Du kapierst wohl nicht. Zieh Leine, sofort. Sonst brechen wir dir alle Knochen, Arschloch.«
    Sekundenlang stand ich reglos da. Dann tat ich das einzig Sinnvolle. Ich drehte mich um und ging.
    Der Privatdetektiv war ein Herr um die siebzig, der aussah, als würde er in schlechten Filmen die Rolle des alten Betrügers oder eben des schlitzohrigen Privatdetektivs spielen. Er war ziemlich dick, mit lächerlich über den blanken Schädel gekämmten Strähnen und nikotingelben Fingern.
    Er war mein dritter Versuch. Die ersten beiden hatten mich bei der Ansage, ich bräuchte die Anruflisten eines Handys, unsanft vor die Tür gesetzt und erklärt, solche Sachen machten sie nicht. Signor Bernardi, Polizeiinspektor im Ruhestand, war in dieser Hinsicht weniger legalistisch, ihn interessierte eher der finanzielle Aspekt.
    »Sehen Sie, guter Mann, was Sie da verlangen, ist nicht einfach. Vor allem, weil – das wissen Sie, oder? – es illegal ist. An Anruflisten kommt man normalerweise nur mit staatsanwaltlicher Anordnung.«
    »Ja, ja, ich weiß. Ich versichere Ihnen, dass ich keinerlei illegale Absichten hege, es ist nur …«
    »Na, das weiß ich doch, dass Sie Ihre guten Gründe haben. Man sieht ja, dass Sie ein integerer Mann sind. Deshalb will ich Ihnen ja helfen. Aber Sie müssen wissen, dass das nicht einfach und vor allem nicht ungefährlich ist. Um an diese Listen ranzukommen – wenn man überhaupt rankommt –, braucht es einen Draht zu einem Mitarbeiter der Telefongesellschaft.«
    »Tja, na ja, das ist klar.«
    »Und so ein Draht, selbst wenn’s Freunde sind, ist nicht umsonst. Das kann eine ganze Stange kosten, das sage ich Ihnen gleich, denn ich möchte nicht …«
    »Wie viel?«
    Er setzte eine nachdenkliche Miene auf und strich sich übers Kinn. Dann zündete er sich eine MS an und stieß den Rauch aus.
    »Sie sind mir sympathisch, ich setze den Preis am Minimum an, auch wenn ich am Ende draufzahle.«
    »Also?«
    »Wollen Sie auch die Identifizierung der Teilnehmer, mit denen die Nummer Ihres Interesses in Kontakt getreten ist?«
    Ich brauchte ein paar Sekunden. Musste ich wirklich wissen, zu wem die Nummern gehörten, die auf dieser Liste stehen würden? Natürlich wolle ich die, antwortete ich.
    »Ah …«, sagte Bernardi, als hätte er eine schlechte Nachricht erfahren. »Das macht die Sache allerdings noch komplizierter.«
    »Und das heißt?«
    »Also, sagen wir fünftausend, auch wenn ich garantiert draufzahlen werde. Die Leute, mit denen ich reden muss, wollen bestimmt mehr. Verstehen Sie, die riskieren für so was ihren Arbeitsplatz.«
    »In
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