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Illusion der Weisheit

Illusion der Weisheit

Titel: Illusion der Weisheit
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Ordnung«, sagte ich, ohne zu überlegen. Ich sagte es so schnell, dass Bernardi der Gedanke, er hätte zu wenig verlangt, ins Gesicht geschrieben stand.
    Er sagte, ich müsste entweder bar oder mit auf mich ausgestellten, indossierten Schecks zahlen. Zweitausend sofort, der Rest bei Lieferung. Er fügte hinzu, dass er mir für den Preis die Listen des letzten Monats geben könnte. Aus der Art seiner Formulierung konnte ich heraushören, dass er hoffte, ich würde ihn auch nach den neuesten Listen fragen, damit er einen Aufpreis verlangen konnte. Aber mir reichte der vergangene Monat. Ich würde die letzten Telefonate sehen, nachvollziehen können, mit wem Natalia in Kontakt gestanden hatte, und mit den entsprechenden Personen reden. Keine Sekunde kam mir der Irrwitz meines Plans und der Situation an sich in den Sinn. Ich stellte den Scheck aus, und wir trennten uns in der Übereinkunft, dass er mich anrufen würde, sobald er die Listen hätte.
    Als ich Bernardi zwei Tage später wieder gegenübersaß, hielt er einen gelben Umschlag in den Händen. Er wirkte betreten.
    »Und, haben Sie das, worum ich Sie gebeten hatte?«
    Ohne mir in die Augen zu sehen, legte er den Umschlag auf den Schreibtisch, zündete sich eine MS an und antwortete erst nach zwei oder drei Zügen.
    »Dottor Blasetti, ehe ich Ihnen sage, was ich herausgefunden habe, möchte ich wissen, wozu Sie die Informationen brauchen, um die Sie mich gebeten haben.«
    »Entschuldigung, Bernardi, aber das war nicht die Abmachung. Sie hatten eine, ehrlich gesagt, nicht gerade bescheidene Summe verlangt, und ich habe eingewilligt, eine Anzahlung gemacht und begleiche jetzt den Rest. Sie geben mir das, worum ich Sie gebeten habe, ich gebe Ihnen das Geld, dann haue ich ab, und das war’s.«
    Er antwortete nicht. Nervös zog er an seiner Kippe, drückte sie in einem Blechaschenbecher aus, seufzte leise und zog ein Blatt Papier aus dem Umschlag.
    »Natalia B. hieß die Inhaberin der Nummer, die ich für Sie kontrollieren sollte.«
    »Was soll das heißen: hieß?«
    Bernardi sah zwar aus, als sei er einem schlechten Film entstiegen, doch er beherrschte sein Handwerk und war womöglich sogar ein guter Polizist gewesen. Er hatte sich die Listen besorgt und sogar noch ein bisschen mehr getan. Er hatte überprüft, auf wen das Telefon angemeldet war, und eine Personalienermittlung durchgeführt, bei der herausgekommen war, dass Natalia B. vor weniger als zwei Wochen in Bari gestorben war.
    Mir blieb das Herz stehen, und ich brachte kaum einen Ton heraus.
    »O Gott, sie ist tot.«
    »Ich dachte mir schon, dass Sie es nicht wissen. War zwar nur so ein alter Polizeiinstinkt, aber ich hab’s mir gedacht.«
    »Wie … Wie ist sie gestorben?«
    »Das weiß ich nicht, das war aus den Meldeakten nicht zu ersehen.«
    »Aber ist es möglich, dass sie umgebracht wurde?«
    »Umgebracht? Das glaube ich nicht, das heißt, ich weiß es nicht, aber das hätte in den Zeitungen gestanden. Ich lese zwar nicht viel Zeitung, aber … Wieso glauben Sie, dass sie umgebracht wurde?«
    »Verzeihen Sie, ich habe Schwachsinn geredet. Es ist nur, dass … Na ja, ich habe das nicht erwartet …«
    Ich wusste nicht, wie ich es sagen sollte, also schwieg ich und wartete ab, was geschehen würde.
    »Es tut mir leid«, sagte der Privatdetektiv nach einer Weile. »War sie eine Freundin von Ihnen oder so?«
    Das geht dich nichts an, sagte ich mir. Wie in Trance kramte ich nach meinem Portemonnaie, zog den bereits ausgefüllten Scheck hervor und gab ihn ihm.
    »Das ist schwer zu erklären. Geben Sie mir diese Listen.«
    Ohne einen kontrollierenden Blick darauf zu werfen, griff er nach dem Scheck. Sofort hatte ich wegen meiner Pampigkeit ein schlechtes Gewissen.
    »Wenn ich Ihnen die einfach so gebe, ohne zu erklären, wie man sie liest, werden Sie nicht viel verstehen.«
    Er hatte recht. Er müsse meine Barschheit entschuldigen, sagte ich, aber ich sei ein wenig mitgenommen. Er entgegnete, er habe vollstes Verständnis, kam um den Schreibtisch herum und erklärte mir, wie die Tabellen zu lesen waren, ob es sich um eingehende oder ausgehende Telefonate handelte, wie man die Dauer und den Zeitpunkt des Telefonats feststellen und wie man ersehen könne, wo sich der Apparat im Moment des Anrufes befunden hatte.
    Es dauerte eine Weile, doch als ich ging, hatte ich eine Bestätigung meiner Befürchtungen in der Tasche.
    In den Listen tauchten einige ein- und ausgehende Telefonate mit einer Arztpraxis auf. Und
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