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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir
Autoren: Sabine Ludwigs
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P rolog
     
    Das Wasser war schwarz, kalt und schmeckte durchdringend nach Chlor. Ich versank darin. Ich versank und konnte nichts dagegen tun.
    Es drang durch meine Kehle, die Nasenlöcher, in die Ohren. Und unter dem unglaublichen Druck platzten meine Trommelfelle. Gleichzeitig hatte ich das entsetzliche Gefühl, meine Augäpfel würden aus ihren Höhlen gedrückt. Lichtblitze zuckten stroboskopisch durch meinen Schädel.
    Es tat weh zu ertrinken!
    Überall. Am ganzen Körper. In meinem Kopf. Im Hals. Hinter den Rippen. In den Lungen. Im Bauch. Sogar in den Kammern meines Herzens.
    Ich hatte keine Kraft. Bewegungslos hing ich in der Schwebe; ein Empfinden, als wäre ich aus aufgeweichtem Brot und mein Fleisch würde sich bröckchenweise von den Knochen lösen und davontreiben.
    Mir wurde schwindelig. Doch schon im nächsten Augenblick meinte ich, in rasender Geschwindigkeit abwärts in einen unendlich tiefen Schacht gezogen zu werden. Eine Supernova explodierte hinter meiner Stirn, gefolgt von alles verschlingender Dunkelheit.
    Es wurde tiefschwarz.
    Und unglaublich still.
    Daran erinnerte ich mich noch, als ich in der Klinik aufwachte. Und an eine von Zorn entstellte Männerstimme, kurz bevor mich die Lautlosigkeit verschluckte. Verzerrt und zischend, als würde sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgepresst: „Ich bring dich um!“
    Darüber denke ich nach. Hier. Im Krankenhaus. In der dämmrigen Wärme eines Kleiderschrankes, in den ich mich zurückgezogen habe. Ich kauere auf dem Holzboden und komme zu dem Schluss, dass mein sterbender Verstand mir wahrscheinlich einen bösen Streich gespielt hat. Nicht mit der Erinnerung an das Ertrinken. Aber mit der zischenden Stimme.
    Auf einmal werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Jemand klopft mit harten Fingerknöcheln gegen die weiß lackierte Schranktür.
    Ich erstarre.
    Poch macht es. Poch ... Poch.
    „Sina-Mareen?“
    Die Stimme eines Fremden. Sie klingt sanft, beinahe zärtlich, und sie bringt meinen Nackenflaum dazu, sich aufzurichten.
    Poch macht es wieder. Poch ... Poch.
    „Sina-Mareen“, flüstert der Fremde. „Ich bin da.“
    Irgendwo habe ich diese Stimme schon einmal gehört.
     
     
     
     
     
     
     
     
    ERSTER TEIL
    ____________________________________________
    Spurensuche
     
    Kapitel 1
     
    In den frühen Morgenstunden des sechsten Mai wurde ich in die Park-Klinik eingeliefert. Im Wasser umgekommen und wiederbelebt.
    Das Einzige, was ich am Leib trug, war ein rotes Bikinihöschen. Mein Haar triefte vor Nässe, an der rechten Schläfe hatte ich eine Platzwunde, und die Beule an meinem Hinterkopf war so ausgeprägt und schmerzhaft, dass ich noch Tage später nur auf dem Bauch oder der Seite liegend schlafen konnte.
    Das Unbehagen, das ich unter all den Fremden empfinde, die mich entweder Frau Hohwacht oder Sina-Mareen nennen, schnürt mir manchmal die Luft ab. Ich fühle mich wie in einem weingeschwängerten Halbschlaf: schwer, desorientiert, in einem wirren Traum befangen.
    Ich wünsche mir, jeden Moment aufzuwachen. „Lieber Gott“, bete ich manchmal im Schrank. „Bitte mach, dass ich bald aufwache.“
    Aber ich wache nicht auf.
     
    Ich hatte einen nächtlichen Badeunfall. Heißt es. Demnach bin ich ein Nachtmensch. So ist es keineswegs eine Seltenheit, dass ich in der Zurückgezogenheit meines Schmuckateliers bis zum Morgen durcharbeite. Manchmal gehe ich auch im Garten spazieren und sehe mir die Sterne an. In warmen Nächten schwimme ich ab und an im Außenpool. Und weil das Wetter in den letzten Tagen fast sommerlich gewesen war, hatte ich mich wohl auch in jener Nacht entschlossen, ein paar Bahnen zu schwimmen.
    Doch am Einstieg zum Becken muss ich gestürzt sein. Ich schlug mit dem Kopf gegen den Rand, war halb bewusstlos, fiel in den Pool und versank.
    Wenigstens nehme ich das an. Ich schließe es aus dem Wenigen, w as der Fremde, der gegen die Schranktür geklopft hat, mir erzählte.
    Es kann aber ebenso gut alles ganz anders gewesen sein.
     
    Der Fremde ist mir ein Rätsel.
    Er behauptet durch die geschlossenen Schranktüren hindurch, mich aus dem Pool gezogen, mich gerettet zu haben. Und mit mir verheiratet zu sein. Von beidem weiß ich nichts.
    Jeden Tag taucht er auf, eine halbe Stunde, bevor die Krankenschwestern das Frühstück austeilen , pünktlich wie eine Atomuhr.
    Ich stelle mir vor, wie er sich durch den Verkehr einer Stadt kämpft, mit dem Aufzug in den fünften Stock fährt, aussteigt und ohne zu zögern auf
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