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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir
Autoren: Sabine Ludwigs
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verschwunden!
    Leander wartet. Sein Blick tastet mich ab, versenkt sich kurz in meinen und ruht danach eine Spur zu lang auf meinen Lippen. Seine Augen huschen über meine Brüste, den Bauch, weiter, bis zu meinen Füßen und wieder zurück.
    „Bereit?“, fragt er und hebt meine gepackte Reisetasche hoch, als hätte sie kein Gewicht. Er wartet keine Antwort ab, sondern geht einfach los. Ich folge ihm zu Doktor Romberg, um mich zu verabschieden. Dabei hasple ich die Antworten auf die Fragen runter, die Leander mir auf Doktor Rombergs A nraten hin in regelmäßigen Abständen s tellt, um mein Erinnerungsvermögen anzukurbeln: „Du bist?“
    „Sina-Mareen Hohwacht.“
    „Wie alt?“
    „Ähm, fünfunddreißig Jahre.“
    „Beruf?“
    „Ich bin Goldschmiedin.“
    „Familienstand?“
„Verheiratet.“ Mein Herzklopfen füllt meinen Brustkorb aus. „Mit dir. Leander Hohwacht, Moderator von Leander Late Night . Seit drei Jahren. Wir wohnen in Grahben und haben keine Kinder ... keine Kinder.“
     
    Nachdem mich Doktor Romberg offiziell entlassen und mir noch einmal eingeschärft hat, regelmäßig zur Physiotherapie zu gehen, stehe ich im fahlen Licht einer Neonröhre neben Leander im Aufzug. Und hier fällt mir eine Kleinigkeit an ihm auf : Er hat eine absonderliche Narbe an seinem Kinn. Helle, eng nebeneinanderliegende Dellen. Klein und nicht sehr tief. Sie sehen wie verblassende Kettenglieder aus. Spontan strecke ich eine Hand aus und betaste die Narbe mit den Fingerspitzen.
    „Was ist das?“
    „Zahnabdrücke.“
    „Zahnabdrücke?“
    „Ja. Ein Biss von Rick.“
    „Wer ist Rick?“
    „Mein Cousin.“
    „Was?! Warum hat er das getan?“
    Leander nimmt meine Hand von seinem Kinn. Er lächelt ein schiefes Lächeln, bei dem sich der rechte Mundwinkel eine Idee mehr hebt als der linke.
    „Weil ich beim Darten gewonnen hatte.“ Er lacht. Dabei scheint das Grün seiner Augen eine Spur grüner zu werden. „Das ist schon Jahre her! Wir waren noch Kinder. Na ja, Rick kann recht jähzornig sein. Und, um bei der Wahrheit zu bleiben, ich hatte ihn ziemlich gereizt und meinen Spaß an seiner Wut gehabt. Jedenfalls, ehe ich mich versah, ging er auf mich los und biss zu.“
    „Meine Güte!“
    „Hm, ja. Er bekam einen Monat Hausarrest, was jammerschade für ihn war, denn wir hatten Sommerferien. Und weil es nicht der erste Vorfall dieser Art war, landete Rick außerdem in der Psychotherapie, wo man ihn wegen seiner aggressiven Verhaltensstörung behandelte. Zumindest das Beißen haben sie ihm dort abgewöhnen können.“
    Wir sind in der zweiten Etage, da fällt mir noch etwas ganz anderes ein, etwas, das ich unbedingt wissen will. „Leander?“
    „Hm?“
„Wer ist eigentlich Rainer Maria?“
    Leander setzt gerade zu einer Antwort an, da signalisiert uns das leise Ding des Aufzugs, dass wir im Foyer angekommen sind. Mit einem Zischlaut gleiten die Türen auseinander und eine Frau mit dunklen Locken stürmt auf mich zu.
     
     
    Kapitel 4
     
    „Sina-Mareen!“, ruft die Frau, wobei sie mich aus dem Lift zerrt. Sie umarmt mich mit wahrer Inbrunst. Anschließend drückt sie mir ein Sträußchen Maiglöckchen und, wie sinnig, Vergissmeinnicht in die Hand. „Die sind für dich.“ Sie lacht. „Erinnerst du dich? Das sind deine Lieblingsblumen! Dein Hochzeitsstrauß war daraus gebunden.“
    Kein Zweifel, das muss Lisa sein. Meine Schwester. Wir ähneln einander kein bisschen, finde ich. Kommt sie nach unserem Vater? Wer von uns sieht welchem Elternteil ähnlich? Verstehen wir uns gut? Oder geraten wir rasch aneinander?
    Die Frau schaut mich ohne Unterlass an. Erwartungsvoll. Bittend. Wie wenn ich bei dem Anblick der Blumen die Hände zusammenschlagen und laut jubelnd ausrufen müsste: „Aber natürlich! Maiglöckchen und Vergissmeinnicht. Und jetzt erinnere ich mich auch wieder an alles Übrige aus meinem Leben!“
    Ein Lächeln liegt auf ihren Lippen. Mitgefühl spiegelt sich darin, Herzlichkeit und geschwisterliche Zuneigung. Für mich hingegen ist sie nichts weiter als eine liebenswürdige, mir vollständig unbekannte Frau mit dunklen Locken. Ähnlich wie eine Zufallsbekanntschaft.
    Unvermittelt breche ich in Tränen aus, worüber ich selbst zutiefst bestürzt bin.
    „Ach, du!“ Meine Schwester legt behutsam einen Arm um mich. Ich spüre, dass sie mich gern hat. „Das wird schon wieder!“ Sie führt mich hinaus auf den Parkplatz zu einem silbernen Audi. Gleichzeitig flüstert sie mir die ganze Zeit
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